Das Hospital der Verklärung.
Pfleger ebenso wie die Devise, dem Kranken eher den Arm zu brechen, als sich kratzen zu lassen. Der Kleine mußte schon allerhand »Quatsch gemacht« haben. Gewiß aber hatte auch er ordentlich was abbekommen. Trotz ständiger Belehrungen und Rügen bekannten sich nämlich die Pfleger hinter dem Rücken der Ärzte zum Prinzip der Vergeltung und schlugen jeden Kranken, der ihnenzur Last fiel, rachsüchtig, indem sie ihnen die schmerzhaftesten, kürzestgezielten und ausgeklügeltsten Hiebe versetzten. Sie prügelten durch die Decke oder im Bad, damit keine Spuren zurückblieben. Stefan wußte das und wollte Józef aufs strengste verbieten, den Jungen zu schlagen, aber er war nicht in der Lage, auf die Pflegermethoden Einfluß zu nehmen, denn das offizielle Verbot scherte diese Männer wenig.
»Wissen Sie … dieser Kleine da …«
»Der mit dem Engel?«
»Ja, der … Geben Sie acht auf ihn, damit ihm kein Unrecht geschieht.«
Józef war beleidigt. Er gebe auf jeden acht. Also zog Stefan die Faust aus der Tasche, in der er einen Fünfzigzlotyschein hielt. Józef wurde weich. Er habe verstanden. Er hätte zwar auch sonst sein Bestes getan, nun aber würde er ihn wie sein eigenes Kind behandeln.
Sie standen an der Tür. Ringsum machten sich die Kranken zu schaffen, aber das störte ihn nicht mehr. Während Józef unauffällig die Banknote einsteckte, sagte Stefan mit veränderter Stimme, fast atemlos von dem Entschluß, zu dem er sich durchgerungen hatte: »Józef, wissen Sie nicht zufällig, was aus dem Mann geworden ist, den die Deutschen neulich verhaftet haben? Sie wissen doch …«
Ihre Blicke kreuzten sich. Stefan schlug das Herz bis in den Hals. Józef zögerte. Der Glanz seiner Augen verriet wachsendes Interesse. Er verbarg es jedoch hinter einem servilen Lächeln. »Meinen Sie Woch, den Elektriker ohne Ohr? Den kannten Sie, Herr Doktor?«
»Ja«, antwortete Stefan im Gefühl, sich auszuliefern. Dieses Gespärch strengte ihn so an, daß ihm körperlich übel wurde. Auf Józefs dummschlauen Zügen breitete sich das heuchlerische Lächeln immer unverkennbarer aus. Seine feuchten Kuhaugen wurden ganz groß.
»Den haben Sie also gekannt? Es heißt, das Zeug in der Grube neben der Maschine hat nicht er versteckt, sondern der Antek, sein Patenkind. Aber, wer soll das wissen? Das war doch ein ganz Durchtriebener! Mit den Deutschen trank er Schnaps, machte Geschäfte mit ihnen, aber unsereiner war für ihn Luft, so wichtig kam er sich vor. Der hat sich wohl gedacht, er kann den Deutschen in die Tasche stecken. Doch da hat er sich geirrt, der Deutsche ist pfiffig, der kommt in der Nacht und hebt ihn aus! Heute sind welche aus Owsiane mit dem Lastwagen vorgefahren, um das Gelumpe abzuholen, zweimal mußten sie kommen, soviel war da! Unter dem Kies vergraben und in Kisten verpackt, wie Handelsware!«
»Haben Sie es gesehen, Józef?«
»Ich selbst nicht. Hatte ja keine Gelegenheit. Die Leute haben es gesehen und auch schon vorher gewußt. Aber den Woch hat das gar nicht gekümmert. Der hatte ja den Verstand mit Löffeln gefressen, dieser Schlaumeier!«
»Und was haben sie nun mit ihm gemacht?«
»Woher soll ich das wissen? Kennen Sie die Rudzianer Sandgrube? Wo früher der Teich gewesen ist? Wenn man die Straße langgeht – durch den Wald und dann rechts … Da drücken sie einem den Spaten in die Hand, lassen ihn eine Grube graben und sich davor aufstellen. Hinterher holen sie einen Bauern von der Landstraße zum Einscharren. Selber sind sie viel zu bequem …«
Obgleich Stefan Ähnliches vermutet oder sogar mit Sicherheit angenommen hatte, packte ihn eine solche Wut auf Józef, ein so fürchterlicher Haß, daß er die Augen schließen mußte.
»Und die anderen?«
»Sie meinen die beiden Pościks? Die haben sich verflüchtigt. Es ist nichts bekannt. Sicherlich sind sie zu den Partisanen. Jetzt kann sich der Alte in Höhlen und Sümpfenrumdrücken! Und alles nur, weil sie so unvorsichtig und dumm waren. Was mußten sie sich mit Dingen befassen, die sie nichts angingen, mit Munition, nicht wahr?« schloß er mit gesenkter Stimme.
Stefan nickte und ging stracks auf sein Zimmer. Ganz ruhig ließ er sich eine Luminal auf die Hand rollen, gab nach einigem Zögern eine zweite dazu, trank Wasser nach und warf sich so, wie er war, in Anzug und weißem Kittel, aufs Bett.
Er schlief wie ein Stein. Am späten Abend weckte ihn ein Pochen. Józef stand mit einem Telegramm vor der Tür. Tante Skoczyńska drahtete, Vater
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