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Das Hospital der Verklärung.

Das Hospital der Verklärung.

Titel: Das Hospital der Verklärung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Pajączkowski litt, denn er hatte von sich aus nichts einzuwenden, schämte sich aber vor seinen Kollegen. Eine Messe in einem Irrenhaus nahm sich ja zwangsläufig wie glatter Hohn aus! Wäre sie nur für das Personal bestimmt, dann ginge das noch an, aber der Pfarrer meinte, auch die gesünderen Patienten könnten durchaus …
    Pajączkowski geriet schließlich ins Schwitzen, willigte ein und hatte dadurch sofort sein seelisches Gleichgewicht wiedergewonnen. Dann schien ihm etwas eingefallenzu sein, er verabschiedete sich von dem Pfarrer und trippelte davon. In diesem Augenblick trat Stefan hinzu. »Na, wie steht’s? Sehen Sie Ihre Prinzessin noch?« fragte er, den Blick in den sturmgepeitschten Garten gerichtet. Da die Bäume hier den Winden mehr ausgesetzt waren, entlaubten sie sich schneller als im Tal. Zunächst war Stefan gar nicht bewußt, daß er den Pfarrer verletzt haben konnte.
    »Lieber Herr Doktor«, entgegnete der, »ich möchte meinen Geist mit einem Musikinstrument vergleichen, in dem einige Saiten falsch gestimmt waren … Daher konnte auch die Seele, der herrliche Künstler, darauf nicht die richtige Melodie spielen. Jetzt aber bin ich dank Ihrer und Ihrer Kollegen Fürsorge völlig gesund.«
    »Mit einem Wort, Sie vergleichen uns mit Klavierstimmern«, sagte Stefan, innerlich lächelnd, obgleich sein Gesicht ernst blieb. »Das geht natürlich auch. Ich glaube, ein Theologe des neunzehnten Jahrhunderts behauptete, die Telodendria, das heißt die Ausläufer der Nervenzellen, seien in den Weltenäther getaucht … Aber die Theorie hinkt insofern, als die Physik den Äther inzwischen liquidiert hat.«
    »Bis vor kurzem habe ich solche Töne von Ihnen noch nicht gehört«, erwiderte der Pfarrer betrübt. »Bitte, tragen Sie es mir, einem ehemaligen Patienten, nicht nach, aber mir scheint, der Herr Sekulowski hat auf Sie immer wie … Wermut gewirkt. Sie sind doch von Natur ein freundlicher, herzensguter Mensch, aber nach jedem Besuch bei ihm waren Sie von bitteren und, dessen bin ich sicher, Ihnen wesensfremden Gedanken erfüllt …«
    »Ich herzensgut?« fragte Stefan lächelnd. »Dieses Kompliment ist mir im Leben bisher erspart geblieben.«
    »Sie kommen doch am Sonntag, nicht wahr? Ich möchte es gern Ihrer Entscheidung überlassen, welche Patienten an der Messe teilnehmen dürfen. Einerseits hätte ich esam liebsten, wenn möglichst viele kämen, es ist doch Jahre her … Aber andererseits …«
    »Ich verstehe«, sagte Stefan. »Doch ich glaube, so etwas ist fehl am Platze.«
    »Inwiefern?« fragte der Pfarrer, sichtlich bestürzt. »Sind Sie etwa der Ansicht, daß …?«
    »Ich denke, es gibt Orte, wo selbst Gott sich kompromittieren kann.«
    Der Pfarrer ließ den Kopf hängen. »Also doch. Ja, ich weiß, mir fehlen leider die passenden Worte, ich bin nur ein gewöhnlicher Dorfpfarrer. Ich gebe zu, als ich studierte, war es mein sehnsüchtiger Traum, einem ungläubigen und starken Geist zu begegnen. Um ihn mir zu unterjochen und ihn zu leiten …«
    »Wie das–unterjochen? Sie führen da seltsame Reden!«
    »Ich hatte Unterwerfung durch Liebe gemeint, aber es war Sünde. Später habe ich es begriffen: die Sünde des Hochmuts. Und dann lehrte mich das Leben noch viele andere Dinge. Ich weiß, ich tauge nicht viel. Jeder einzelne Arzt hier verfügt über eine ganze Batterie von Argumenten, denen ich mit meiner Priesterweisheit nicht gewachsen bin …«
    Der sentimentale, aufgeplusterte Ton des Pfarrers ödete Stefan an. Er blickte in die Runde.
    Die Kranken strebten auf den Gartenwegen dem Pavillon zu, die Mittagszeit nahte.
    »Das bleibt also unter uns«, sagte Stefan und machte Anstalten, sich zu verabschieden, »und Sie wissen ja, wir bewahren unser Arztgeheimnis genauso streng wie Sie das Ihre, wenn man den Himmel aus dem Spiele läßt … Wie ist es, haben Sie nie Zweifel gehabt?«
    »Was soll ich Ihnen antworten, Herr Doktor?«
    »Die Wahrheit.«
    »Nehmen Sie mir’s nicht übel, aber ich glaube, Sie schlagennur selten das Evangelium auf. Lesen Sie einmal bei Matthäus siebenundzwanzig, Vers sechsundvierzig nach. Oft waren das auch meine Worte.«
    Der Pfarrer entfernte sich. Der Garten war jetzt fast leer. Die kirschroten Anstaltsröcke wanderten so gleichförmig daher, als kämmte eine unsichtbare Macht sie aus dem goldbesprühten Gesträuch heraus. Als letzter kam rauchend der Pfleger. Stefan ging hinterdrein. Neben einem verwilderten Fliederbusch sah er einen Patienten kauern. Er wollte

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