Das Hotel (German Edition)
zwischen den Fingern drehte. Eigentlich hatte sie gehofft, Willi abpassen zu können und ihm ins Schwimmbad zu folgen. Aber es war absehbar, dass die übrige Gesellschaft heute nicht so früh zu Bett gehen würde wie am Abend zuvor. Der Aufenthalt auf der Messe schien auf alle eine ausgesprochen belebende Wirkung gehabt zu haben. Sie stellte sich also auf einen Abend ein, der mit Konversation gefüllt werden musste.
«Ja, Herr Schmidt hat unbedingt seine Qualitäten als Gesellschafter», ging sie höflich auf ihren Gesprächspartner ein und fragte sich im Stillen, was er wohl von dem Manfred Schmidt halten würde, den sie heute Morgen auf dem Überwachungsfilm gesehen hatten. Sven Heinemann winkte ungeduldig ab. «Ich wollte Sie eigentlich etwas fragen. Aber nicht hier. Haben Sie Lust auf einen kleinen Spaziergang?»
Leicht beunruhigt, versuchte sie in seinem Gesicht zu lesen. Was hatte er vor, dass er Wert darauf legte, mit ihr allein zu sein?
«Keine Angst, ich versichere Ihnen, ich hege keine unlauteren Absichten. Na ja, wenigstens nicht direkt», schränkte er mit einem schiefen Grinsen ein. Neugierig geworden, folgte Veronika ihm bereitwillig über die Terrasse zu dem schmalen Pfad, der zum Aussichtspunkt auf dem benachbarten Hügel führte. Der Pfad war nicht breit genug, um nebeneinandergehen zu können. Zwischen dem dichten Gebüsch waren die Schatten schon sehr viel dunkler als vorhin im Garten, aber der Widerschein am Horizont war noch hell genug, um einigermaßen sehen zu können, wohin man seinen Fuß setzte. Schweigend gingen sie hintereinander die kurze Strecke zu der halb verrotteten Bank, von der aus man einen herrlichen Blick auf das Lichtermeer der Stadt unten im Tal hatte.
«Jetzt bin ich aber gespannt», bemerkte Veronika und setzte sich vorsichtig auf das heile Ende der Bank.
Sven Heinemann blieb stehen, die Hände in den Taschen vergraben, und betrachtete sie unschlüssig. «Bitte, seien Sie jetzt nicht gekränkt», begann er schließlich. «Ich bin mir darüber im Klaren, dass meine Bitte Ihnen ausgesprochen merkwürdig vorkommen muss. Deshalb bitte ich Sie, mich einfach nur anzuhören. Okay?»
Veronika nickte zustimmend, und er fuhr fort, langsam und unsicher, als müsse er jedes Wort sorgsam auswählen.
«Sie wissen ja, dass ich Weinhändler bin. Nun, Wein trinkt man aus Gefäßen, um es einmal so allgemein wie möglich auszudrücken. Und so kam es, dass ich begann, mich für ungewöhnliche Gefäße zu interessieren.» Er kam näher, sah ihr durchdringend in die Augen, ehe er weitersprach. «Mein Lieblingsprojekt sind Gläser, die Frauenbrüsten nachempfunden sind.» Er verstummte, als erwarte er, dass sie sich dazu äußerte, aber Veronika war zu verblüfft von seiner Eröffnung. Was sollte man auch dazu sagen? Verrückt war es, oder nicht?
«Für diese Kollektion, eine absolut einmalige Kollektion, darf ich behaupten, suche ich Modelle.»
«Und wie kommen Sie gerade auf mich?», wollte Veronika nun doch wissen. «Und wie können Sie beurteilen, ob ich geeignet bin, solange Sie mich nicht nackt gesehen haben?»
Sie konnte seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen, aber er senkte peinlich berührt den Blick. «Willi hat mich auf Sie gebracht. Er meinte, Sie wären das perfekte Modell, nach dem ich seit Monaten suche.»
Veronika war sprachlos vor Empörung. Welche Unverfrorenheit! Willi hatte also Sven Heinemann von ihrem Treffen im Schwimmbad erzählt. Wie billig!
«Seien Sie jetzt bitte nicht wütend», bat Heinemann, ihre augenblicklichen Gefühle erahnend. «Er hat nur gesagt, dass Sie genau die Art Brüste hätten, die ich schon nicht mehr zu finden hoffte.»
«Und was hat er sonst noch erzählt?», fauchte Veronika wütend.
«Nichts. Kein Wort!» Heinemann hob wie abwehrend beide Hände. «Willi mag nicht so aussehen, aber er ist ein Gentleman. Niemals würde er eine Frau bloßstellen, indem er mit anderen über seine intimen Momente mit ihr spricht. Und das hat er auch jetzt nicht getan», fügte er Willi verteidigend hinzu. «Alles, was er gesagt hat, war eben, dass Sie das perfekte Modell wären. In dieser besonderen Situation … Er wollte lediglich helfen …», fügte er in bittendem Tonfall hinzu.
Veronika spürte, wie sie sich wieder ein wenig entspannte. «Gesetzt den Fall, ich wäre einverstanden. Wie ginge es jetzt weiter?», fragte sie. Ihre Neugierde, mehr über diese absurde Idee zu erfahren, ließ ihre Empörung rascher verrauchen, als es unter anderen
Weitere Kostenlose Bücher