Das Hotel (German Edition)
vielleicht allzu leichtfertig ja gesagt? Die schwarze Schlafmaske, die er ihr gegeben hatte, war so dicht, dass sie nichts von ihrer Umgebung erkennen konnte. Und sie fuhren und fuhren …
Irgendwie glaubte sie, dass sie sich inzwischen auf dem flachen Land befanden, aber sie hätte nicht zu sagen gewusst, wieso sie zu dieser Ansicht kam. Als Lou den Wagen schließlich langsam ausrollen ließ und ruhig sagte: «Du kannst das Ding jetzt abnehmen», riss sie vor lauter Nervosität beinahe das Gummiband aus seiner Öse.
Erstaunt schaute sie sich um: Das Haus, vor dem sie standen, wirkte wie eine ganz normale Vorstadtvilla. Nur der Parkplatz war viel zu weitläufig.
«Wo sind wir hier?», fragte sie etwas misstrauisch. Das Ganze wirkte wie …
«Das ist ein privater Swingerklub», erwiderte Lou fröhlich und kam ums Auto herum, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein. «Heute ist Ruhetag, da haben wir ihn ganz für uns.» Und schon ging er verdächtig zielstrebig auf den Seiteneingang zu.
«Halt.» Veronika blieb stocksteif stehen. Er drehte sich mit fragend gehobenen Augenbrauen zu ihr um.
«Wieso sind wir hier an einem Ruhetag? Kennst du die Besitzer?»
«Sonst hätte ich wohl kaum die Schlüssel.» Er hob demonstrativ ein schweres Schlüsselbund mit einem Anhänger in Form eines Plüschpenis.
«Wie hast du das so schnell gemanagt?»
«Ein Anruf genügte», erklärte er selbstzufrieden. «Die Schlüssel habe ich immer dabei, wenn ich in der Gegend bin. Na, komm schon, du wirst begeistert sein!»
Nicht ganz überzeugt folgte Veronika ihm um die Hausecke. Der Seiteneingang, zu dem er sie geführt hatte, lag etwas versteckt zwischen zwei hohen Jasminbüschen. Perfekt, um ungesehen hineinzuschlüpfen.
«Nach dir», meinte sie entschieden, als er ihr einladend die Tür aufhielt.
Innen sah sie sich neugierig um. Sie standen in einer Art Empfangsraum, von dem aus zahlreiche Türen in andere Bereiche führten. Alle waren dezent mit Messinglettern beschriftet. «Büro» las Veronika auf einer Tür, «Garderobe», «Lounge», «Kostüme» auf den anderen.
«Ich habe Hunger. Du auch?» Lou verschwand ohne viel Federlesens hinter einer Tür ohne jede Kennzeichnung. Die Küche?
Veronika schaute sich um, ehe sie Lou folgte. Der hatte bereits den Kühlschrank geöffnet und einige vorbereitete kalte Platten herausgezogen. Lachs, Forelle, Kaviar, winzige Rehmedaillons mit Preiselbeeren, liebevoll dekorierte Pastetenförmchen, dazwischen Jakobsmuschelhälften, gefüllt mit diversen Salaten.
«Bedien dich», lud er sie ein, während er behutsam eine Champagnerflasche entkorkte.
«Das ist ja Wahnsinn!» Mit der Sachkenntnis der erfahrenen Gastgeberin erkannte Veronika auf den ersten Blick die Qualität. «Dies Büfett dürfte gut und gerne einen Tausender gekostet haben!»
«Echt?» Lou schien nicht sehr beeindruckt. «Das gibt es hier immer.»
«Der Club muss einigen Gewinn abwerfen, wenn die Betreiber sich einen derartigen Luxus leisten können», stellte Veronika fest und warf einen Blick auf das Etikett der Champagnerflasche. «Ich als Inhaber wäre übrigens nicht begeistert, abends feststellen zu müssen, dass jemand sich schon darüber hergemacht hat.»
«Ach was, ich habe schon Bescheid gesagt, dass sie nachbestellen müssen», winkte Lou sorglos ab. «Keine Hemmungen. Danach zeige ich dir den Rest vom Haus.»
Sein Versprechen, das ihrer Neugierde sehr entgegenkam, ließ sie ihre Bedenken fallen lassen und zugreifen. Die Situation hatte etwas, das sie an ihre Jugend erinnerte: Sie fühlte sich genau wie damals, als sie sich mit ein paar Schulfreundinnen in die Schulküche geschlichen hatte, wo die Kuchen und Salate für die Abiturfeier gestanden hatten, und sich einen Spaß daraus gemacht hatte, alles durchzuprobieren. Das war das Donnerwetter des Rektors und das Nachsitzen wert gewesen!
Der Reiz des Verbotenen hatte den sinnlichen Genuss so erhöht, dass die gleichen Speisen bei späteren Gelegenheiten nie wieder so wunderbar aufregend geschmeckt hatten. Als sie Lou davon erzählte, grinste er verständnisvoll und meinte: «Ich kann mir vorstellen, wie du dich fühlst. Wenn man immer beherrscht und brav ist, ist es ganz besonders aufregend, mal so richtig ungezogen zu sein.»
Er nahm eine gefüllte Dattel und hielt sie ihr vor die Lippen. «Hier, probier die mal. Sie sind ganz frisch eingeflogen worden.»
Veronika öffnete bereitwillig den Mund und ließ sich füttern wie ein Kind. Nach der Dattel
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