Das Hotel New Hampshire
eingekeilt. Die normal große Badewanne, zur Hälfte mit Wasser gefüllt, war ihr aufgefallen, als sie - was zu der Zeit sehr weltläufig war - ihr Pessar einführte. Im Badewasser schwamm der Duschvorhang, und Bitty hatte sich vorgebeugt und den Vorhang gerade so weit angehoben, daß sie den versunkenen grauen Kopf von Kummer erblickte - der aussah wie ein Mordopfer: ein ertränkter Hund, auf dessen Gesicht auch unter Wasser noch der grausige Grimm seines letzten Knurrens im Kampf mit dem Tod zu sehen war.
Der Entdecker der Leiche wird kaum je verschont. Zum Glück hatte Bitty ein junges und starkes Herz; ich spürte es in ihrem Busen schlagen, als ich sie aufs Bett legte. Da ich es für eine brauchbare Methode zur Wiederbelebung hielt, küßte ich sie, und obwohl ich damit erreichte, daß sie einen lichten Moment lang die Augen aufschlug, fing sie nur wieder an zu schreien - noch lauter.
»Es ist doch nur Kummer«, sagte ich ihr, als ob damit alles erklärt sei.
Sabrina Jones war als erste in 3 A, da sie vom ersten Stock den kürzesten Weg hatte. Sie blickte mich durchdringend an, als liege hier ganz klar ein Fall von Vergewaltigung vor, und sie sagte zu mir: »Du mußt etwas getan haben, was ich dir nicht beigebracht habe!« Sie dachte zweifellos, Bitty sei das Opfer schlechten Küssens geworden.
Der Missetäter war natürlich Egg gewesen. Er hatte Kummer in Bittys Badezimmer mit dem Haartrockner behandelt, und der schreckliche Hund hatte Feuer gefangen. In seiner Panik hatte Egg das brennende Biest in die Badewanne geworfen und unter Wasser gesetzt. Nachdem das Feuer so gelöscht war, hatte Egg die Fenster aufgemacht, um den Brandgeruch aus dem Zimmer zu bekommen, und kurz vor Mitternacht, auf dem Gipfel seiner Müdigkeit - und aus Angst, von dem ständig lauernden Frank geschnappt zu werden - hatte Egg den Kadaver mit dem Duschvorhang zugedeckt, denn der aufgedunsene, mit Wasser vollgesogene Hund war so schwer geworden, daß Egg ihn nicht mehr aus der Badewanne heben konnte; Egg war auf unser Zimmer gegangen und hatte sich umgezogen, um in normaler Kleidung seine unausweichliche Bestrafung abzuwarten.
»Mein Gott«, sagte Frank geknickt, als er Kummer sah, »ich glaube, jetzt ist er endgültig ruiniert; ich glaube, der ist nicht mehr zu reparieren.«
Selbst die Jungs von Hurricane Doris pilgerten zu Bittys Badezimmer, um dem grausigen Kummer ihre Aufwartung zu machen.
»Ich wollte ihn wieder lieb machen!« heulte Egg. »Er war einmal lieb«, beteuerte Egg, »und ich wollte, daß er wieder lieb ist.«
Von plötzlichem Mitleid erfüllt, schien Frank zum erstenmal etwas von der Taxidermie zu begreifen.
»Egg, Egg«, ging Frank auf das schluchzende Kind ein. »Ich kann ihn wieder lieb machen. Du hättest das mir überlassen sollen. Ich kann alles aus ihm machen«, behauptete Frank. »Auch jetzt noch«, sagte er. »Du möchtest, daß er wieder lieb ist, Egg? Ich mach ihn dir wieder lieb.« Aber Franny und ich starrten in die Badewanne und hatten große Zweifel. Daß Frank einen harmlosen, furzenden Labradorhund genommen und einen Killer aus ihm gemacht hatte, war eine Sache; aber diesen wahrhaft widerlichen Kadaver, der da verfilzt und verbrannt und aufgedunsen in der Badewanne lag, wieder aufzumöbeln - das war ein Wunder an Perversion, das wir nicht einmal Frank so ohne weiteres zutrauten.
Vater dagegen war der ewige Optimist; er schien zu glauben, das alles sei eine ausgezeichnete »Therapie« für Frank - und zweifellos ein Einfluß, der Eggs Reifung beschleunigen würde.
»Wenn du den Hund wiederherstellen und ihn lieb machen kannst, mein Sohn«, sagte Vater mit unangemessener Feierlichkeit zu Frank, »dann würde das uns alle sehr glücklich machen.«
»Ich finde, wir sollten ihn wegschmeißen«, sagte Mutter.
»Dito«, sagte Franny.
»Ich hab's versucht«, beschwerte sich Max Urick.
Aber Egg und Frank begannen zu heulen und zu jammern. Vielleicht dachte Vater, Frank könnte mit Kummers Wiederherstellung Vergebung erlangen; Kummers Errettung könnte Franks Selbstachtung möglicherweise wiederherstellen; und wenn Kummer umgestaltet wurde, wenn Kummer für Egg »lieb« gemacht wurde, dann - dachte sich Vater vielleicht - würde uns allen etwas von Iowa-Bob zurückgegeben. Doch, wie Franny Jahre danach sagte, so etwas wie »lieben Kummer« hatte es nie gegeben; daß Kummer nichts Liebes sein konnte, lag in der Natur der Sache.
Konnte ich meinem Vater einen Vorwurf dafür machen, daß er es
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