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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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versuchte? Oder Frank dafür, daß er bei diesem deprimierenden Optimismus die wirkende Kraft war? Und Egg war natürlich ohnehin kein Vorwurf zu machen; Egg warfen wir nie etwas vor, keiner von uns.
    Nur Lilly hatte das alles verschlafen, vielleicht lebte sie schon in einer Welt, die anders war als unsere. Doris Wales und Ronda Ray waren keine drei Treppen hinaufgestiegen, um einen Kadaver zu sehen, aber als wir sie im Restaurant wiederfanden, schienen sie - auch wenn sie den Vorfall nicht miterlebt hatten - ernüchtert. Und falls sich Junior Jones irgendwelche Hoffnungen auf eine - auch noch so kleine - Verführung gemacht hatte, so waren sie durch die Unterbrechung der Musik zunichte gemacht; Franny gab Junior einen Gutenachtkuß und ging auf ihr eigenes Zimmer. Und Bitty Tuck konnte, obwohl sie meine Küsse liebte, nicht verwinden, daß sie im Badezimmer bei einer intimen Angelegenheit gestört worden war - von Kummer und mir. Ich vermute, daß sie sich am meisten über die nicht sehr graziöse Stellung ärgerte, in der ich sie gefunden hatte - »Beim Pessar-Einlegen umgekippt!« wie Franny die Szene charakterisierte.
    Ich stand schließlich allein mit Junior Jones am Lieferanteneingang; wir tranken das übriggebliebene kalte Bier und hielten Ausschau im Elliot Park nach weiteren Überlebenden des Silvesterabends. Sleazy Wales und die Jungs aus der Band waren nach Hause gegangen; Doris und Ronda hingen über dem Tresen - in dem ganzen Dusel war zwischen ihnen plötzlich eine Art von Kameradschaft aufgekommen. Und Junior Jones sagte: »Nichts gegen deine Schwester, Mann, aber ich bin mächtig scharf.«
    »Dito«, sagte ich, »und auch nichts gegen deine Schwester.«
    Das Lachen der Frauen im Restaurant drang an unsere Ohren, und Junior sagte: »Was meinst du, sollen wir die zwei Ladies an der Bar anmachen?« Ich traute mich nicht, Junior zu sagen, wie sehr mich diese Idee abstieß - hatte mich doch eine der beiden bereits angemacht -, aber später kam ich mir gemein vor, weil ich so schnell bereit war, Ronda Ray zu verraten. Ich sagte Junior, sie lasse sich sehr leicht anmachen, er brauche dazu nur Geld.
    Später trank ich noch ein Bier und hörte zu, wie Junior am anderen Ende des Ganges Ronda zur Treppe und von mir wegtrug. Und nach dem nächsten oder übernächsten Bier hörte ich, wie Doris Wales ganz allein anfing ›Heartbreak Hotel‹ zu singen, ohne Musik, und mal vergaß sie die Worte ihrer Religion und mal verlor sich der Rest in Genuschel. Und zum Schluß - das Geräusch war unverkennbar - erbrach sie sich ins Waschbecken hinter der Bar.
    Nach einer Weile fand sie mich in der Eingangshalle, an der offenen Tür zum Lieferanteneingang, und ich bot ihr das letzte kalte Bier an. »Klar, warum auch nicht?« sagte sie. »Hilft mir den Rotz runterspülen. Dieses verfluchte ›Heartbreak Hotel‹«, fügte sie hinzu. »Das wirft mich immer um.«
    Doris Wales hatte ihre kniehohen Cowboy-Stiefel an, und in der Hand hielt sie ihre grünen Stöckelschule an den dünnen Riemen; in der anderen Hand schwang sie ihren Mantel, einen beklagenswert fleckigen Tweedmantel mit einem mickrigen Pelzkragen. »Es ist nur Bisam«, sagte sie und fuhr mir damit über die Wange. Sie griff mit der Hand, in der sie die Stöckelschuhe hatte, nach dem Hals der Bierflasche und trank sie fast leer. Der Knutschfleck an ihrem nach hinten geneigten Hals sah aus, als stammte er von einer rotglühenden 50-Cent-Münze. Sie ließ die Bierflasche fallen und stieß sie mit dem Fuß zur Tür hinaus, wo sie zu den Mülltonnen beim Lieferanteneingang rollte. Sie trat näher an mich heran und rammte mir ihre Schenkel zwischen die Beine; sie küßte mich auf den Mund, und ihr Kuß hatte nichts von dem, was Sabrina Jones mir gezeigt hatte; es war, als werde mir ein Klumpen einer überreifen Frucht zwischen den Zähnen durch und über die Zunge weg gequetscht, bis ich würgte. Ihr Kuß hinterließ einen Nachgeschmack von Erbrochenem und Bier.
    »Ich hol Sleazy von ner Party ab«, sagte sie. »Willste mitkommen?«
    Das erinnerte mich an jenen Nachmittag im Kino, als Sleazy anbot, mir die Brotkugel reinzuwürgen oder mit dem Nagel meine Augen auszustechen. »Nein danke«, sagte ich.
    »Scheiß die Wand an«, sagte sie und rülpste heftig. »Die Jungs heutzutage haben keinen Saft mehr.« Dann riß sie mich an sich und drückte mich gegen ihren Leib, der so hart war wie bei einem Mann, nur daß ihre Brüste zwischen uns glitten wie zwei frisch gefangene

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