Das Hotel New Hampshire
sei er in Salatöl getunkt worden; daraufhin mußte sie sich das Kleid über den nassen Leib gezogen haben. Das Kleid packte zu, wo es was zu packen gab, und versackte in den Falten und Klüften ihres Körpers; ein ganzer Rattenschwanz von Knutschflecken oder Liebesbissen - »Sauger« nannte sie Franny - überzog Doris' Brust und Hals, als hätte sie einen heftigen Ausschlag; die Flecken waren wie Peitschenstriemen. Von ihrem pflaumenblauen Lippenstift hatten auch die Zähne etwas abbekommen, und sie sagte zu Sabrina Jones und mir: »Wollt ihr was Heißes zum Tanzen oder was Schwüles zum Schmusen? Oder beides?«
»Beides«, sagte Sabrina Jones, ohne zu zögern, aber ich war mir sicher: wenn die Welt aufhören würde, sich Kriege und Hungersnöte und andere Gefahren zu leisten, so wären die Menschen immer noch in der Lage, einander in tödliche Verlegenheit zu stürzen. Unsere Selbstvernichtung würde auf die Weise vielleicht etwas länger dauern, aber ich bin überzeugt, sie wäre nicht weniger vollkommen.
Als Doris Wales einige Monate nach dem Hurrikan, dessen Namensschwester sie war, zum erstenmal Elvis Presleys ›Heartbreak Hotel‹ hörte, war sie selbst gerade in einem Hotel. Sie erzählte Sabrina und mir, das sei ein religiöses Erlebnis gewesen.
»Versteht ihr?« sagte Doris. »Ich bin da wirklich gerade mit einem Typ in einem Hotelzimmer, und dann kommt dieser Song im Radio. Der Song hat mir klargemacht, was ich fühlen soll«, erklärte Doris. »Das ist vielleicht ein halbes Jahr her«, sagte sie. »Seither bin ich nicht mehr dieselbe.«
Ich mußte an den Typ denken, der mit Doris in dem Hotelzimmer gewesen war, als sie ihr Erlebnis hatte; wo war er jetzt? War er noch derselbe?
Doris Wales sang nur Songs von Elvis Presley; wo es paßte, machte sie aus einem er ein sie (und umgekehrt); dieses Improvisieren und die Tatsache, daß sie »keine Negerin« war, wie Junior Jones feststellte, machten das Zuhören fast unerträglich.
Als Versöhnungsangebot für seine Schwester forderte Junior Jones Sabrina zum ersten Tanz auf; die Musik, daran erinnere ich mich, war ›Baby, Let's Play House‹, und Sleazy Wales schaffte es mehrmals, mit seiner Elektrizität die Stimme seiner Mutter zu übertönen. »Jessas Gott«, sagte Vater. »Wieviel zahlen wir denen?«
»Laß mal gut sein«, sagte Mutter. »Jeder kann sich amüsieren.«
Das schien nicht wahrscheinlich, obschon Egg sich zu amüsieren schien; er trug eine Toga und Mutters Sonnenbrille, und er hielt sich in sicherer Entfernung von Frank, der außerhalb des Lichtscheins zwischen den leeren Tischen und Stühlen lauerte - und bestimmt angewidert vor sich hinbrummte.
Ich sagte Bitty Tuck, es tue mir leid, sie Tittie genannt zu haben - es sei mir nur so herausgerutscht.
»Okay, John-John«, sagte sie und tat so, als sei es ihr gleichgültig - oder schlimmer noch: ich war ihr wirklich gleichgültig.
Lilly wollte mit mir tanzen, aber ich war zu schüchtern; dann forderte mich Ronda Ray auf, und ich war zu schüchtern, sie abzuweisen. Lilly sah verletzt aus, und als Vater sie galant aufforderte, lehnte sie ab. Ronda Ray drehte mich ungestüm über die Tanzfläche.
»Ich weiß, ich bin dabei, dich zu verlieren«, sagte mir Ronda. »Eins rat ich dir: wenn du wieder mal eine abhängen willst, dann sag es ihr zuerst.«
Ich hoffte, Franny würde mich abklatschen, aber Ronda steuerte uns auf Junior und Sabrina zu, die offensichtlich eine Auseinandersetzung hatten.
»Wechsel!« rief Ronda fröhlich und zog Junior fort.
In einem unvergeßlichen Übergang mit zusammengepanschten Klängen, mißhandelten Instrumenten und Doris' schriller Stimme legte Hurricane Doris einen anderen Gang ein und präsentierte uns ›I Love You Because‹ - eine langsame Nummer zum engen Tanzen, die ich in Sabrina Jones stetigen Armen durchzitterte.
»Gar nicht so schlecht, wie du dich anstellst«, sagte sie. »Warum machst du dich nicht an die kleine Tuck ran - die Freundin deiner Schwester?« fragte sie mich. »Die ist doch in deinem Alter.«
»Sie ist achtzehn«, sagte ich, »und ich weiß nicht, wie man sich an jemand ranmacht.« Ich hätte Sabrina gern erklärt, daß ich aus meiner Beziehung zu Ronda Ray, auch wenn sie körperlich gewesen war, kaum etwas gelernt hatte. Bei Ronda gab es kein Vorspiel; bei ihr war der Sex unmittelbar und genital, Ronda ließ nicht zu, daß ich sie auf den Mund küßte.
»So breiten sich die schlimmsten Bazillen aus«, versicherte mir Ronda. »Von
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