Das Hotel
und auf ihre Tasche fiel. Letti half ihr auf.
» Geht es?«, erkundigte sich Letti.
» Gibt es eine Alternative?«
Sie rannten weiter. Die Sorgen machten Letti verrückt. Sie musste unbedingt wissen, ob sie sich weiter von Kelly fortbewegte oder sich ihr näherte.
» Einen Augenblick«, rief sie Mal und Deb zu. » Ich muss nach meiner Tochter rufen.«
» Wir helfen Ihnen«, bot Mal an.
Obwohl Letti völlig erschöpft war und die Schmerzen sie förmlich auffraßen, berührte sie Mals Hilfe.
» Wenn wir das tun, verraten wir, wo wir sind«, gab Letti zu bedenken.
» Dann kämpfen wir eben«, entgegnete Deb. » Ihre Mutter hat es uns ermöglicht zu flüchten. Jetzt Ihnen zu helfen ist das Mindeste, was wir tun können.«
Letti nickte dankbar. Dann formte sie die Hände zu einem Trichter, hob sie an den Mund und schrie: » Kelly!«
Mal und Deb folgten ihrem Beispiel. Sie brüllten und brüllten und brüllten in den Wald hinein, bis ihre Stimmen versagten.
Der Wald antwortete nicht.
Maria wachte auf, als sich die Tür zu ihrer Zelle öffnete. Sie hatte die letzten Stunden auf dem Boden gelegen und sehr unruhig geschlafen. Weil sie das Schlimmste befürchtete, zog sie Selbstmord in Betracht. Aber auch wenn es ihr möglich gewesen wäre, sich das Leben zu nehmen, wusste sie letztendlich, dass sie es nicht tun würde.
Ich bin eine Kämpferin, also kämpfe ich bis zum bitteren Ende.
Maria blickte auf und sah Harry und Eleanor. Harry hatte einen Viehtreiber in der Hand, Eleanor ihre Flinte.
» Die Stunde der Strafe ist gekommen«, verkündete Eleanor. Sie trug ein lächerlich aussehendes Jackie-Onassis-Kostüm mit gleichfarbigem pinken Hütchen und schien bester Laune. » Sie haben ganz schön Unruhe gestiftet, kleines Fräulein. Das wird Jahre dauern, bis wir uns wieder erholt haben. Aber wir Roosevelts sind hart unterzukriegen, wir schaffen das schon. Im Gegensatz zu dieser Memme.«
Eleanor warf Maria etwas zu. Es war braun und rechteckig.
Eine Brieftasche.
Marias Hals schnürte sich zusammen, und ihr Herz pochte vor unguter Vorahnung. Zitternd streckte sie die Hand danach aus und öffnete die Geldbörse. Felix’ Führerscheinbild starrte sie lächelnd an.
» Ronald hat ihn sich geschnappt. Mehr ist nicht übrig geblieben.«
Tränen liefen ihre Wangen hinab.
» Millard hat sich auf die Fährte deines Bruders begeben. Er sollte jeden Augenblick mit seiner Beute zurückkommen. Du weißt doch, diese Verrückten, die ein ganzes Jahr nach dir gesucht haben. Tolles Jahr, nur um dich kümmerliches Ding zu retten. Welch eine Verschwendung.«
Harry beugte sich runter, um sie zu ergreifen, und kicherte vor sich hin. Der Speichel flog ihm aus dem Mund, und Sabber und Rotz flossen aus dem dreieckigen Loch in seinem Gesicht. Maria wich ihm aus und erhielt zur Belohnung einen Hieb in die Rippen mit dem Viehtreiber. Sie krümmte sich und fiel zu Boden.
» Und jetzt gehen wir ganz langsam und ruhig, wie eine echte Dame, oder Harry bricht dir deine Knie und trägt dich.«
Maria stand auf und schritt stoisch aus der Zelle hinaus in den Flur. Der Raum mit den Contergan-Kartons glich einem Friedhof für Eleanors Brut. Es stank nach Blut, Innereien und Exkrementen. Fliegenschwärme hingen gleich schwarzen Wolken in der Luft. Maria starrte auf die Gesichter der Toten und erkannte jeden einzelnen ihrer Peiniger. Das Bild vor ihr gab ihr jedoch keine Genugtuung.
Sie haben das Ende gekriegt, das sie verdienten. Das macht allerdings weder Felix wieder lebendig noch lässt es mich frei.
Der Gedanke an Felix ließ sie erneut weinen.
Sie führten Maria zu einer Leiter und dann durch das Haus. Überall lagen Tote. Langsam stieg sie die Treppe hinauf, als ob sie zum Schafott ging.
Das hier ist schlimmer als ein Galgenstrick.
Maria hatte Angst, größere Angst, als sie das ganze Jahr über verspürt hatte. Egal, was sie Grauenhaftes mit ihr angestellt hatten, das hier würde es übertreffen. Vor Eleanor verbarg sie ihre Furcht. Sie würde nicht betteln, nicht verhandeln, nicht flehen. Wenn es so weit war, würde sie der Hexe ins Gesicht spucken.
Endlich kamen sie im zweiten Stock an. Maria sah die Ketten mit den Handschellen, die am Geländer befestigt waren.
Die wollen mich aufhängen.
Sie würden Maria die Handschellen hinter dem Rücken anlegen und sie dann sechs Meter in die Tiefe stürzen. Der resultierende Ruck würde ihre Schultern, Arme und Handgelenke ausrenken und Muskeln und Sehnen zerreißen. Maria erinnerte
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