Das Hotel
Magen.
Florence ließ die Messer fallen, schnappte sich den Stiel der Heugabel und riss sie aus den Händen des Angreifers. Dann zog sie sich das Ding aus dem Bauch, drehte sie rasch um und stach nach allem, das sich bewegte. Die Horde zog sich außer Reichweite zurück. Es waren noch mindestens ein Dutzend.
Florence ging auf sie zu und spürte plötzlich einen Riss in ihrer Magengegend. Sie wusste, was das bedeutete.
Meine Verletzung ist tödlich.
Ich bin tot.
Ich habe nicht mehr lange.
Die alte Frau biss die Zähne zusammen.
Und trotzdem kriegt ihr meine Familie nicht.
Es kamen immer mehr Freaks in den Raum. Bewaffnet.
Florence schleppte sich in den Kampf. Sie trat, bis ihre Kräfte sie verließen. Sie stach auf alles ein, was sich bewegte, stach zu, bis ihre Innereien brannten, stach zu, bis ihre ganze Welt sich auf einen alles bestimmenden Gedanken konzentrierte.
IHR ! KRIEGT ! MEINE ! FAMILIE ! NICHT !
Und sie fielen. Einer nach dem anderen von Eleanors fürchterlichen Nachkommen ging zu Boden. Mörder von unzähligen Unschuldigen. Florence machte weiter, benutzte die Heugabel jetzt wie eine Machete und hörte nicht auf, bis die Monster sich in einen riesigen Haufen totes, missgestaltetes Fleisch verwandelt hatten.
Ihr war schwindlig. Und kalt. So kalt.
Die ersten Symptome eines Schocks.
Das macht nichts. Ich habe es geschafft.
Meine Familie ist in Sicherheit.
Auf Wiedersehen, Letti.
Auf Wiedersehen, Kelly.
Ich liebe euch so sehr.
» Uuhh! Schau einer an, was wir hier haben.«
Florence blickte auf. Der Mann, dessen Stimme sie gehört hatte, war riesig und trug eine Art Schaumstoffanzug. Lange graue Strähnen lugten unter dem American-Football-Helm hervor.
» Hast du das alles alleine gemacht, alte Frau? Scheiße . Das wird Mamma nicht gefallen. Jetzt muss sie wieder von vorne anfangen.«
Der Mann beugte sich über Florence und nahm ihr die Heugabel ab. Sie hatte keine Kraft mehr, sich zu wehren.
» Du musst ganz schön zäh sein. Weißt du, was wir hier mit zähen alten Schachteln machen? Wir schneiden ihnen den Kopf ab und kochen dann eine Suppe daraus.«
Der Mann gackerte und hob die Heugabel.
» Wie heißt du?«, fragte Florence. Es bedurfte ihrer letzten Kraft, diese Worte zu formen.
» Millard Fillmore Roosevelt«, erwiderte er stolz.
» Nun, Millard Fillmore Roosevelt. Ich habe eine Tochter. Ihr Name ist Letti«, sagte Florence und lächelte ihn an. » Meine Letti wird dich so zurichten, dass Mamma deine Überreste nicht wiedererkennen wird.«
Florence lachte. Sie lachte so herzlich, dass sie überhaupt nichts spürte, als Millard ihr den Kopf abschlug.
Letti wusste nicht, um wen sie sich mehr Sorgen machen sollte, ihre Mutter, ihre Tochter oder sich selbst.
Mal führte die Gruppe durch das Kofferlabyrinth. Er benutzte das Display seines Handys als Lichtquelle. Der Gestank war von Anfang an unerträglich gewesen, aber er wurde schlimmer, je tiefer sie sich in die Dunkelheit wagten. Letti hielt sich die Nase zu und passte auf, wo sie hintrat, denn sie trug keine Schuhe.
Kelly hat es geschafft. Und jeden Augenblick wird Mom zu uns stoßen.
Obwohl sie wusste, dass es wider alle Vernunft war, wiederholte sie es wie ein Mantra.
Deb, die mit den Prothesen, flüsterte ihr zu: » Alles klar?«
» Danke.«
» Sie sind Letti, korrekt? Ich bin Deb. Ihre Mutter war eine sehr, sehr mutige Frau.«
Letti schluckte bei Debs Gebrauch der Vergangenheitsform, widersprach jedoch nicht.
» Ich muss meine Tochter finden.«
» Das werden wir.«
Ja, das werden wir, und zwar jeden Augenblick.
» Oh, Scheiße«, rief Mal. » Meine Damen, wir haben hier einen Haufen Leichen. Und die eine oder andere Ratte.«
Letti warf entsetzt einen Blick auf ihre nackten Füße.
» Wie viele Ratten?«, fragte sie.
Einen Moment später wurde ihre Frage beantwortet. Die Horde der Nager stürmte auf sie zu und bewegte sich gleich einer quietschenden Decke. Letti versuchte, nicht die Beherrschung zu verlieren, doch als die erste Ratte über ihre Zehen huschte, rannte sie von Panik ergriffen los. Als sie gegen Mal stieß, ließ er das Handy fallen.
Plötzlich herrschte um sie herum völlige Dunkelheit. Eine Ratte klammerte sich an Lettis Wade. Sie schlug sie von sich, trat einen Schritt zurück und stieg auf …
» Au!«
Der Schmerz fuhr ihr durch den Fuß, sie verlor das Gleichgewicht und fiel auf den Hintern.
Die Ratten wuselten über sie.
In Sekundenschnelle war sie gänzlich von kleinen Füßchen,
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