Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Hotel

Das Hotel

Titel: Das Hotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
Im Augenblick nicht. Aber wir erwarten heute Abend noch ein paar.«
    Florence verstand nicht, wie sich das Hotel über Wasser halten konnte. » Ist hier gerade Nebensaison?«
    Eleanors Glubschaugen weiteten sich. » Nein, nein. Wir suchen uns unsere Gäste nur sehr sorgfältig aus.«
    » Kommen denn viele Ihrer Gäste wieder?«
    » Sie werden es nicht glauben, aber manche wollen nach der ersten Nacht gar nicht wieder fort.«
    Sie zwinkerte ihnen zu und machte einen unbeholfenen Knicks. » Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht, meine Damen.«
    Die Wirtin eilte davon. Letti und Florence beobachteten, wie sie die Treppe herunterging und dabei liebevoll das Geländer streichelte.
    » Ich kann die Frau nicht riechen. Und das Hotel und die ganze Umgebung auch nicht«, verkündete Florence.
    » Ist aber unschlagbar billig.« Letti steckte den Schlüssel ins Schloss.
    » Wie hast du dieses Loch überhaupt gefunden?«
    » Der Brief kam eines Tages mit der Post. Es hieß, wir hätten ein Preisausschreiben gewonnen und könnten hier umsonst übernachten.«
    Florence schüttelte den Kopf. » Aber wie sollen die davon profitieren? Es ist schließlich nicht so, als ob die vielen anderen Gäste das wettmachen würden. Das Hotel ist ungefähr so voller Leben wie ein frisch geschaufeltes Grab.«
    Letti öffnete ihre Tür. » Das sind wir doch schon mal durchgegangen. Ganz gleich, wie grässlich es hier ist – wir bleiben. Wir sparen einen Haufen Geld, Florence. Und du weißt, wozu wir das brauchen können …«
    » Für mich. Ich weiß, Letti.« Florence legte ihre Hand auf die ihrer Tochter, die noch immer auf dem Türknauf ruhte. Sie senkte ihre Stimme. » Wir müssen unbedingt über deinen Mann sprechen …«
    Letti zog augenblicklich ihre Hand fort. » Eine meiner Regeln lautet, dass wir nicht über ihn sprechen. Das Thema ist tabu.«
    » Kelly hat recht. Wenn wir nicht über ihn sprechen und du mich nicht verstehst, wie wirst du mir dann jemals vergeben können?«
    » Ich erinnere mich nicht, ausgemacht zu haben, dass ich dir vergeben soll.«
    Letti ging in ihr Zimmer und warf die Tür hinter sich ins Schloss.
    Habe ich das wirklich verdient?
    Ich weiß nicht. Vielleicht schon. Vielleicht hatte Letti die ganze Zeit über recht.
    Aber das heißt nicht, dass ich irgendetwas anders gemacht hätte.
    Oder vielleicht doch?
    Florence seufzte. Sie hatte Letti zu solchem Eigensinn erzogen, ganz nach ihrem eigenen Vorbild. Hoffentlich würde Letti nicht die gleichen Fehler mit Kelly machen, die sie selbst mit Letti begangen hatte.
    Florence schloss ihre Tür zum Grant-Zimmer auf, öffnete sie und trat ein. Dann hielt sie inne und nahm den Raum langsam in sich auf.
    Irgendwas stimmte hier nicht.
    Das Licht war eingeschaltet und beleuchtete die omnipräsenten Ulysses-S.-Grant-Drucke an den Wänden. Irgendwie hatte Eleanor es geschafft, sogar Vorhänge ausfindig zu machen, die sein Konterfei zierte. Obendrein glich die Tagesdecke einer riesigen Fünfzig-Dollar-Note. Aber es waren nicht die vielen Grants, die Florence den Atem verschlugen.
    Sie spürte, dass sie nicht allein im Zimmer war.
    Florence glaubte – und wurde in diesem Glauben immer wieder bestätigt –, dass die Nähe anderer Menschen zu spüren war. Das war kein übersinnlicher Schwachsinn oder irgendein fauler Trick. Viele Tiere besaßen einen solchen Sinn, der sie über herannahende Räuber oder Beute in Kenntnis setzte. Fledermäuse oder Haie, Wale oder Delfine. Und Hunde. In der Natur war es ein Leichtes, ein anderes Lebewesen auszumachen – ganz ohne Sichtkontakt, Geräusche oder Tastsinn. Genau wie man spürte, dass jemand einen von Ferne anstarrte oder sich gleich die Tür öffnen würde.
    Jeder besaß diese Fähigkeit, zumindest bis zu einem gewissen Grad. Florence hatte auf ihren Reisen in verschiedene Länder und bei ihrem Interesse für Meditation und Kampfkunst diese Fähigkeit ihr ganzes Leben lang eingeübt und ausgebaut.
    Jeder Ort besaß eine spezielle Aura, und zwar auf eine Weise, die man mit den normalen fünf Sinnen nicht wahrnahm.
    In diesem Zimmer spürte Florence deutlich, dass man sie beobachtete.
    Es waren keine freundlichen Augen.
    Eher die Augen eines Jägers.
    Das letzte Mal, dass sie etwas Ähnliches gespürt hatte, war im Krieg gewesen. Sie war mit dem fünfundachtzigsten Evac, dem Dritten Feldlazarett, in Qui Nhon stationiert gewesen. Es gab nur ein einziges Operationszelt. Dafür herrschte Dauermangel an Gerätschaften, Ausrüstung und

Weitere Kostenlose Bücher