Das Hotel
sollte.
Mal zog noch fester und renkte ihr dabei beinahe die Schultern aus.
» Warten Sie«, flüsterte sie ihm zu. » Lassen Sie mich kurz los.«
Er gehorchte, und sie riss ihre Hosenseite auf, öffnete den Klettverschluss und drückte auf einen Knopf, um das Vakuum zwischen Beinstumpf und Prothese zu lösen. Dann reichte sie Mal erneut die Hand, und er riss sie unsanft aus dem Auto in seine Arme. Sie fielen nach hinten, Mal auf den Rücken und Deb auf ihn. So lagen sie nun Brust auf Brust, die Gesichter keine zehn Zentimeter voneinander entfernt.
» Und jetzt?«, flüsterte sie.
» Ich weiß nicht, woher der Schuss kam. Ich warte, dass er erneut schießt, und versuche dann, mich von der Seite an ihn heranzuschleichen.«
Deb ließ ihn los und versuchte, sich von ihm zu wälzen, aber das lose Hosenbein hatte sich irgendwo verhakt. Um nicht mit dem Gesicht zuerst auf den Asphalt zu fallen, spreizte sie die Beine und setzte sich auf Mal.
» Ich dachte, Sie mögen mich nicht«, scherzte dieser.
» Sind Sie in lebensbedrohlichen Situationen schon immer ein Klugscheißer gewesen?«
» Ihre Haare duften gut.«
» Mein Gott!« Deb schüttelte den Kopf und drehte sich, sodass sich der Druckknopf der Hose vom Türscharnier löste. Dann lehnte sie sich mit dem Rücken gegen die Stoßstange.
Mal schloss leise die Beifahrertür und hockte sich neben sie. Die Nacht war dunkel, und es herrschte absolute Stille. Selbst die Grillen hatten zu zirpen aufgehört.
Eine Minute verging. Dann noch eine. Debs Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit. Über ihnen schien der Vollmond in prachtvollem Orange inmitten einem Meer aus Sternen und erleuchtete die Straße.
» Glauben Sie, dass er noch da ist?«, fragte Deb.
» Keine Ahnung.«
» Kann er nicht um das Auto schleichen, um uns zu erschießen?«
» Doch, kann er.«
Deb runzelte die Stirn. » Sind wir dann nicht im Auto besser aufgehoben?«
» Wahrscheinlich.« Mal lehnte sich zu ihr. » Aber warum hatte er es auf den Reifen abgesehen und nicht auf uns?«
Sie warteten eine weitere Minute. Wieder kam der Zweifel in Deb auf.
» Sind Sie sich sicher, dass es ein Schuss war und nicht nur ein geplatzter Reifen?«
» Ja, ziemlich sicher.«
» Ziemlich sicher?«
» Sehr sicher.«
Deb warf ihm einen misstrauischen Blick zu. » Haben Sie schon gehört, wie ein Reifen platzt?«
» Nein, das nicht. Aber ich erkenne einen Schuss, wenn ich einen höre.«
» Und wie wollen Sie wissen, dass sich ein platzender Reifen nicht genauso anhört?«
» Das weiß man einfach.« Mal kratzte sich am Kinn. » Glaube ich zumindest.«
Eine weitere Minute verging. Deb horchte so konzentriert, dass sie die Geräusche der Nacht zu unterscheiden begann. Die Grillen fingen wieder an zu zirpen, ein Frosch quakte, und von Ferne drang das Schreien einer Eule an ihr Ohr.
» Und wie sicher sind Sie sich jetzt?«, fragte Deb erneut.
» Mittelmäßig sicher.«
Deb seufzte. Ihr Misstrauen seinen Absichten gegenüber hatte sich in Misstrauen seinen Instinkten gegenüber verwandelt. Obwohl sie jetzt nicht mehr glaubte, dass er ihr etwas antun würde, war sie fest davon überzeugt, dass er sich mit dem Schuss getäuscht hatte und der Reifen tatsächlich geplatzt war. Deb begann, in Richtung Kofferraum zu kriechen.
» He!« Mal fasste nach ihrer Prothese. » Wohin wollen Sie?«
» Ich will den Reifen nach Einschusslöchern absuchen.«
» Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist.«
» Sollen wir die ganze Nacht hier sitzen und abwarten?«
» Hm. Wo Sie recht haben, haben Sie recht. Ich komme aber mit.«
Mal kroch an ihre Seite. Die Temperatur war um mindestens zehn Grad gesunken, seitdem die Sonne untergegangen war, und seine Körperwärme fühlte sich gut an.
Als sie an der hinteren Stoßstange angekommen waren, legten sie sich auf die Bäuche. Mal holte seine Minitaschenlampe hervor und richtete den Strahl auf den Reifen.
» Und? Haben Sie das Einschussloch gefunden?«
» Schwer zu sagen.«
» Also hätte es auch ein geplatzter Reifen sein können?«
» Ausschließen will ich es nicht.«
Super.
» Und jetzt?«, wollte Deb wissen, wobei sie ihre Verärgerung nicht länger unterdrücken konnte.
Mal holte sein Handy hervor. » Kein Empfang. Können wir es mit Ihrem Telefon versuchen?«
Deb kniete sich hin und zog sich am Stoßfänger auf das eine Bein.
» Was tun Sie da?«, fragte Mal.
Ohne zu antworten, hüpfte sie zur Fahrertür, öffnete sie und drückte auf den Knopf, um
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