Das Imperium der Prinzen: Roman (German Edition)
Kharalcha vor der Verwüstung durch Prinzen wie Jerrazis und Atalin zu bewahren, würde sich mein Leben vielleicht lohnen. Vielleicht konnte ich dann jemand werden, der ich sein wollte; konnte jemand werden, den Raine respektieren würde, jemand, vor dem ich selbst Respekt hatte … obwohl ich tief drinnen bezweifelte, dass das überhaupt möglich war. Ein Prinz zu sein schloss von vornherein so viel aus.
»Und was passiert jetzt?«, fragte ich.
»In einem normalen Jahr würdet Ihr Regulationsaufträge vom Imperialen Geist erhalten«, sagte Morojal.
Sie legte eine Pause ein und sah mich mit ihren alten Augen und den sechs Pupillen an.
»Aber dies ist kein normales Jahr. Ihr wurdet nicht nur zum Regulanten auserkoren, sondern auch – wie heute noch verkündet werden wird – zum Imperialen Kandidaten. Meine Gratulation, Hoheit.«
»Was?«
Jedesmal, wenn ich mich halbwegs an den Istzustand gewöhnt hatte, veränderte Morojal die Situation wieder.
»Zum Imperialen Kandidaten«, wiederholte Morojal. »Für den nächsten Imperator.«
»Einer der tausend«, sagte ich langsam. »Verkündet im Imperialen Kern – und tausend von uns werden ausgezeichnet …«
»Ja. Alle werden in Kürze zu Kandidaten ausgerufen.«
»Einer wird Imperator, und die anderen … werden einfach als ›Kandidaten auf ewig‹ gelistet. Was passiert dann mit ihnen?«
»Einer steigt auf«, sagte Morojal. »Und was die anderen betrifft … Ihr werdet es herausfinden, Hoheit.«
»Was, wenn ich gar nicht Kandidat sein will?«, fragte ich,auch wenn ich wusste, dass es eine rein rhetorische Frage war, denn ich kannte die Antwort schon. »Was, wenn ich gar nicht Imperator werden will?«
»Es ist leichter für jene, die es werden wollen«, erwiderte Morojal. »Ich möchte Euch dennoch dringend bitten, eine so törichte Aktion zu unterlassen. Wie Ihr nunmehr wissen solltet, seid Ihr nicht nur einer von tausend Kandidaten. Ihr seid der Lieblingskandidat des Imperators und damit auch des Imperialen Geistes.«
Vor Kharalcha hätte ich das für bare Münze genommen und für meine Pflicht. Nun war ich misstrauisch.
»Warum?«, fragte ich unverblümt. »Und warum bin ich überhaupt zum Kandidaten erwählt worden unter all den Prinzen, die zur Wahl stehen?«
Es gab zehn Millionen Prinzen im Imperium. Davon tausend als Kandidaten auszuwählen konnte nicht leicht sein, und wenn man das Imperium kannte, war es fast sicher noch komplizierter, als es den Anschein hatte.
»Letztere Frage ist relativ leicht zu beantworten, obwohl es natürlich ein großes Geheimnis ist. Zunächst einmal verfügen nur sehr wenige Prinzen über den außergewöhnlich hohen Grad an angeborener Psitech-Fähigkeit, die erforderlich ist, um den Thron zu besteigen und den Imperialen Geist zu lenken. Noch weniger Prinzen haben die erprobte Fähigkeit, ohne eine Verbindung zum Geist zu existieren, die wiederum notwendig ist, um den Geist zu beherrschen und sich nicht von ihm bezwingen zu lassen. Ihr habt beide Fähigkeiten bewiesen.«
»Nur tausend Prinzen alle zwanzig Jahre qualifizieren sich also?«, fragte ich.
»Nein«, erwiderte Morojal gleichmütig. »Vor zweitausend Jahren waren es tausend Prinzen, und diese Zahl wird aus Traditionsgründen weiterhin gewählt und verkündet – und auch, um die wahren Tatsachen zu verschleiern.«
»Wie viele sind es denn dann?«
»Fünf«, antwortete Morojal.
Ich starrte sie eine sehr lange Sekunde an.
»Fünf!«
»Ich werdet natürlich nicht in der Lage sein, diese Tatsache einem anderen Kandidaten zu verraten«, sagte Morojal.
Ich spürte einen leichten Schmerz tief hinter meinem rechten Auge, als sie das sagte und das blaue Fluidum in ihrem Kopf herumwirbelte. Psitech-Intervention, um sicherzugehen, dass ich nicht darüber reden konnte, selbst wenn ich es gewollt hätte.
Was ich nicht tat. Ich musste es noch sacken lassen. Zehn Millionen Prinzen und nur fünf Kandidaten, die Imperator werden konnten?
»Es geht um eine Mutation«, sagte Morojal. »Eine, die wir noch nicht herbeiführen oder züchten können. Früher war sie weiter verbreitet. Mittlerweile ist sie selten geworden.«
»Warum werden Imperatoren dann überhaupt ausgetauscht?«, fragte ich.
»Wir tauschen die Imperatoren nicht direkt aus«, sagte Morojal. »Habt Ihr Euch je gefragt, was der Imperiale Geist eigentlich ist?«
»Nein …«, sagte ich langsam. Warum hatte ich mich das eigentlich nicht gefragt? Der Imperiale Geist war eben … was auch immer
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