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Das Imperium der Woelfe

Das Imperium der Woelfe

Titel: Das Imperium der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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de la Cité unterwegs waren, wo Nerteaux dem Richter Bomarzo seinen neuen Plan unterbreiten wollte, hatte er sein Glück versucht und erläutert, sie kämen am besten weiter, wenn sie die Arbeit aufteilen würden. Während Paul die Phantombilder verteilte und die Truppen des Kommissariats des 10. Arrondissements unterrichtete, könnte er zu Gurdilek gehen...
    Der junge Polizeihauptmann wollte die Entscheidung erst fällen, nachdem er bei dem Richter gewesen war. Paul hatte Schiffer mehr als zwei Stunden in einem Café gegenüber dem Justizpalast schmoren und sogar von einem Beamten überwachen lassen. Dann war er wie ein aufgeblasener Luftballon von seiner Besprechung zurückgekommen: Bomarzo ließ ihm freie Hand für seine Operation. Offenbar gefiel ihm diese Vorgehensweise, und so zeigte er sich mit allem einverstanden.
    Um achtzehn Uhr hatte er ihn am Boulevard Magenta abgesetzt, in der Nähe der Gare de l'Est, und hatte sich mit ihm zwei Stunden später im Café Sancak in der Rue du Faubourg-Saint-Denis verabredet, um den Stand der Dinge zu besprechen.
    Schiffer durchquerte gerade die Rue du Paradis. Endlich allein. Endlich frei. Er atmete den herben Geschmack des Viertels ein, spürte die magnetische Anziehungskraft »seines« Reviers. Der Abend hatte etwas von einem leichten, betäubenden Fieber. Die Sonne hinterließ ihre glitzernden Lichtpartikel auf jedem einzelnen Schaufenster, eine Art goldenes Puder von makabrer Anmut, wie von einem Balsamierer aufgetragen.
    Während er sich mit schnellen Schritten vorwärts bewegte, bereitete er sich innerlich auf die Begegnung mit Talat Gurdilek vor, einem der wichtigsten Bandenchefs des Viertels. Gurdilek war in den sechziger Jahren als Siebzehnjähriger nach Paris gekommen, ohne Geld, ohne die geringste Aussicht auf Erfolg. Jetzt herrschte er über zwanzig Nähwerkstätten und Konfektionsfabriken in Frankreich und Deutschland sowie ein Dutzend Reinigungen und Waschsalons. Ein Mann, der alle Ebenen des türkischen Viertels im Griff hatte, die offiziellen und weniger offiziellen, die legalen und illegalen. Wenn Gurdilek nieste, dann erkältete sich das gesamte türkische Getto.
    Schiffer schob das Hoftor der Nummer 48 auf. Er betrat einen düsteren Gang, der längs von einem Rinnstein durchzogen wurde und dessen beide Seiten lärmende Werkstätten und Druckereien säumten. Am Ende der Passage erreichte er einen rechteckigen, mit rautenförmigen Platten bedeckten Hof. Rechts befand sich eine winzige Treppe, die zu einem langen Wassergraben hinabführte, der von halb verödeten Gärtchen überragt wurde.
    Er liebte diesen Ort der Ruhe inmitten des hektischen Viertels, der von nirgendwo eingesehen werden konnte und den die meisten Bewohner des Blocks nicht einmal kannten. Ein Herz im Herzen, ein schützendes Eiland, auf das sämtliche horizontalen und vertikalen Orientierungslinien zuliefen. Eine Wandtür aus rostigem Eisen beschloss die Passage, und Schiffer legte die Hand auf das Metall: Es war lauwarm.
    Er lächelte und schlug heftig dagegen.
    Nach einer ganzen Weile erschien ein Mann und öffnete, eine Dampfwolke drang heraus. Schiffer gab ein paar Erklärungen in türkischer Sprache ab, worauf der Portier zur Seite trat, um ihn einzulassen. Der Polizist sah, dass er barfuß ging. Er lächelte erneut: Es hatte sich nichts geändert. Dann tauchte er in den feuchten Dunst ein.
    Das weiße Licht zeigte ihm das vertraute Bild: den gekachelten Flur, die großen, an der Decke befestigten, mit blassgrünen Operations-Tüchern bezogenen, wärmespeichernden Rohre. Die Tränen, die an den Kacheln herunterliefen; die Eisentüren an jeder Schleusenkammer, die wie gekalkte Heizkesselwände aussahen.
    Sie gingen ein paar Minuten durch diese Landschaft. Schiffer spürte, wie seine Schuhe in den Pfützen platschten. Sein Körper war feucht vom Schweiß. Sie bogen in einen neuen weiß gekachelten, von Dampf überquellenden engen Gang ein. Rechts war durch eine Öffnung eine Werkstatt zu sehen, aus der das Geräusch heftigen Atmens hervordrang.
    Schiffer sah sich das Schauspiel eine Weile an. Unter einer hell erleuchteten Decke liefen Rohrleitungen und Schläuche entlang, darunter machten sich dreißig Arbeiterinnen mit nackten Füßen und weißen Masken über Becken oder Bügeltischen zu schaffen. In regelmäßigem Rhythmus stoben Dampfstrahlen durch den Raum, der Geruch von Lösungsmitteln und Alkohol sättigte die Luft.
    Schiffer wusste, dass das Pumpwerk des türkischen Bads ganz in

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