Das Imperium der Woelfe
Mathilde nach: »Was hat er gesagt, als du ihm erklärtest, dass ihr Gesicht verändert sei?«
»Ich habe es ihm nicht gesagt. Ich habe von dieser unglaublichen Sache niemandem etwas erzählt.« Er blickte zu Anna. »Selbst letzten Samstag, als du ins Institut gekommen bist, habe ich die Röntgenaufnahmen ausgetauscht. Deine Narben sind auf allen Bildern zu sehen.«
Anna wischte sich die Tränen ab: »Warum hast du das getan?«
»Ich wollte das Experiment zu Ende bringen. Eine zu schöne Gelegenheit. Dein seelischer Zustand war ideal, um so ein Abenteuer zu wagen. Allein das Programm zählte... «
Anna und Mathilde waren sprachlos. Als die kleine Kleopatra sich wieder gefangen hatte, war ihre Stimme so trocken wie ein Weihrauchblatt: »Ich bin weder Anna Heymes noch Sema Gokalp, also wer bin ich?«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung. Eine Intellektuelle, ein politischer Flüchtling? Oder eine Terroristin? Ich... «
Wieder erlosch das Neonlicht, doch Mathilde regte sich nicht. Die Dunkelheit schien stärker zu werden, pechschwarz. Einen kurzen Augenblick dachte er bei sich: Ich habe mich getäuscht, jetzt bringen sie mich um... - als Annas Stimme durch die Dunkelheit tönte: »Es gibt nur ein Mittel, um es herauszubekommen. «
Niemand machte Anstalten, das Licht wieder einzuschalten. Eric Ackermann ahnte, was kommen würde.
Anna murmelte, plötzlich ganz in seiner Nähe: »Du wirst mir zurückgeben, was du gestohlen hast. Mein Gedächtnis.«
acht
Kapitel 42
Er war den Jungen losgeworden, und das war schon was wert. Nach der Verfolgungsjagd im Bahnhof und seinen Enthüllungen hatte Jean-Louis Schiffer Paul Nerteaux in die Brasserie La Strasbourgeoise gegenüber der Gare de l'Est geführt. Er hatte ihm erneut erklärt, worauf es bei den Ermittlungen wirklich ankam: Sie mussten die Frau finden, dies war das Einzige, was im Moment zählte. Weder die Opfer noch die Mörder. Sie mussten das Jagdziel der Grauen Wölfe ausfindig machen, die Frau, die diese seit fünf Monaten im türkischen Viertel suchten und bisher nicht gefunden hatten.
Nach einer Stunde heftiger Diskussion hatte Paul Nerteaux aufgegeben und eine Wendung um hundertachtzig Grad vollzogen. Seine Intelligenz und Anpassungsfähigkeit verblüfften Schiffer immer wieder; der Junge hatte am Ende selbst die neue Strategie festgelegt.
Erstens: ein Phantombild des Opfers erstellen und sich dabei an den Fotos der drei Toten orientieren. Danach sollte das Suchbild im türkischen Viertel ausgehängt werden.
Zweitens: die Patrouillen verstärken, mehr Identitätskontrollen und Hausdurchsuchungen in der Klein-Türkei vornehmen. Ein solches Durchkämmen mochte aussichtslos erscheinen, doch nach Nerteaux' Meinung konnte man auch durch einen Zufall auf die Frau stoßen. Es hatte so etwas bereits gegeben: Nach fünfundzwanzig Jahren wilder Jagd hatte man Toto Riina, den obersten Chef der Cosa Nostra, bei einer einfachen Identitätskontrolle mitten in Palermo gefasst.
Drittens: wieder zu Marius gehen, dem Chef von Iskele, und seine Akten durchsuchen, um festzustellen, ob noch andere Arbeiterinnen ihrer Beschreibung entsprachen. Diese Idee gefiel Schiffer, doch nach der Behandlung, die er dem Sklavenhändler hatte zukommen lassen, konnte er dort nicht mehr auftauchen.
Den vierten Punkt allerdings reklamierte er für sich: einen Besuch bei Talat Gurdilek, bei dem das erste der Opfer gearbeitet hatte. Die Verhöre der Arbeitgeber der ermordeten Frauen mussten abgeschlossen werden, und er wollte dies tun.
Punkt fünf war der einzige, der mit den Mördern selbst zu tun hatte: Recherchen in Sachen Immigration und Überprüfung der Einreisevisa, für den Fall, dass türkische Staatsangehörige, die für ihre Beziehungen zur radikalen Rechten oder zur Mafia bekannt waren, seit November 2001 nach Frankreich gekommen waren. Dies bedeutete, dass man die Unterlagen aller Ankömmlinge aus Anatolien der letzten fünf Monate durchsehen, sie mit den Akten von Interpol vergleichen und auch der türkischen Miliz vorlegen musste.
Schiffer glaubte nicht, dass diese Spur irgendwohin führte, er wusste zu genau, wie eng seine türkischen Kollegen mit den Grauen Wölfen kooperierten, doch hatte er den jungen Polizisten, der Feuer und Flamme war, reden lassen. Geduldig hatte er sich alles angehört, doch in Wahrheit glaubte er an keine dieser Methoden. In seinem Hinterkopf braute sich längst eine neue Idee zusammen...
Während sie zur Ile
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