Das Imperium der Woelfe
überraschend. Wir mussten die Überwachung verstärken. Du wurdest ständig von Polizisten überwacht, der Fahrer des Restaurants, glaube ich... «
»Von La Marée?«
»Ja, genau, La Marée.«
»Als ich im Schokoladengeschäft arbeitete, kam häufig ein Kunde. Ein Mann, den ich zu kennen glaubte. War das ein Bulle?«
»Möglich, ich kenne die Details nicht. Alles, was ich weiß, ist, dass du uns entglitten bist.«
Wieder wurde es dunkel. Mathilde erweckte die Neonröhren zu neuem Leben.
»Doch das eigentliche Problem waren deine Anfälle«, fuhr er fort. »Ich habe gleich gespürt, dass es einen Riss gab. Und dass es schlimmer werden würde. Die Störung bei der Wahrnehmung von Gesichtern war nur ein Vorzeichen; dein wahres Gedächtnis war dabei, wieder aufzutauchen.«
»Warum die Gesichter?«
»Keine Ahnung. Wir sind ja noch mitten in der Experimentierphase.«
Seine Hände zitterten immer mehr. Er konzentrierte sich auf seine Worte: »Als Laurent dich erwischte, wie du ihn nachts beobachtet hast, haben wir begriffen, dass die Störungen stärker wurden. Wir mussten dich einsperren.«
»Warum wolltest du eine Biopsie vornehmen?«
»Um Klarheit zu haben. Vielleicht hatte die Injektion von so viel I50 eine Schädigung hervorgerufen. Ich musste das Phänomen begreifen!«, schrie er.
Er schwieg plötzlich und bedauerte, geschrien zu haben. Er hatte das Gefühl, dass seine Haut in Folge kleiner Kurzschlüsse platzte. Er warf die Zigarette fort und klemmte seine Finger unter den Schenkeln fest. Wie lange würde er noch durchhalten?
Mathilde Wilcrau kam zu der entscheidenden Frage: »Wo suchen Charliers Männer nach Anna? Wie viele sind sie?«
»Ich weiß es nicht. Sie haben mich abgehängt. Laurent auch. Ich habe keinen Kontakt mehr zu ihm... Für Charlier ist das Programm beendet. Es gibt nur noch eins zu tun: dich schnellstens ausfindig zu machen und aus dem Verkehr zu ziehen. Ihr lest Zeitung. Ihr wisst, was in den Medien und in der Öffentlichkeit schon wegen einer kleinen unerlaubten telefonischen Abhöraktion los ist. Stellt euch vor, was geschähe, wenn dieses Projekt bekannt würde.«
»Ich bin also zum Abschuss freigegeben?«, fragte Anna.
»Eher zur medizinischen Behandlung. Du weißt nicht, was du im Kopf hast. Du musst dich stellen, dich Charlier anvertrauen, dich uns anvertrauen. Das ist deine einzige Möglichkeit, um gesund zu werden - und unsere einzige Chance, ungeschoren davonzukommen!«
Er blickte über den Brillenrand und sah die beiden nur verschwommen, und das war besser so. Er legte nach: »Mein Gott! Ihr kennt Charlier nicht! Ich bin sicher, dass er ohne jede Rechtsgrundlage gehandelt hat. Und jetzt räumt er auf. Ich weiß nicht einmal, ob Laurent zur Stunde noch am Leben ist. Alles ist hin, außer, wir können dich noch behandeln... «
Sein Stimme erstarb. Wozu noch weiterreden, wo er selbst nicht mehr an diese Möglichkeit glaubte? Mit ihrer tiefen Stimme formulierte Mathilde zweifelnd: »Das alles erklärt noch nicht, warum Sie ihr Gesicht verändert haben.«
Ackermann spürte, wie sich auf seinen Lippen ein Lächeln formte. Von Anfang an hatte er auf diese Frage gewartet. »Wir haben dein Gesicht nicht verändert.«
»Was?«
Er beobachtete sie nun wieder durch die Brillengläser, starr vor Verblüffung standen sie vor ihm. Ackermann sah Anna tief in die Augen: »Du warst bereits so, als wir dich gefunden haben. Schon bei den ersten Röntgenaufnahmen habe ich die Narben, die Implantate, die Stifte entdeckt. Es war unglaublich. Eine komplette Gesichtsumwandlung. Das muss ein Vermögen gekostet haben. Einen solchen Eingriff kann sich eine illegale Arbeiterin niemals leisten.«
»Was willst du damit sagen?«
»Dass du keine Arbeiterin bist. Charlier und die anderen haben sich getäuscht. Sie dachten, sie entführen eine namenlose Türkin. Aber du bist viel mehr als das. So verrückt es klingen mag, doch ich glaube, dass du dich schon im türkischen Viertel versteckt hattest, als sie dich fanden.«
Anna brach in Schluchzen aus: »Das ist unmöglich... Das kann nicht sein... Wann nimmt das alles ein Ende?«
»In einer Hinsicht«, fuhr er mit merkwürdiger Hartnäckigkeit fort, »erklärt diese Tatsache den Erfolg der Manipulation. Ich bin kein Zauberer. Ich hätte eine Arbeiterin, die aus Anatolien hier gelandet ist, nicht so stark verändern können. Vor allem nicht in wenigen Wochen. Charlier ist der Einzige, der die Geschichte geschluckt hat.«
Beim letzten Punkt hakte
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