Das Imperium
kümmern.«
»Doch, das bin ich«, behauptete der Alte.
»Nein, das stimmt nicht«, sagten Cesca und Jess wie aus einem Mund.
»Du bist meine kleine Schwester«, fuhr Jess fort. »Ich habe Ross verloren und möchte nicht auch dich verlieren.«
»Wäre es vielleicht besser, den Krieg zu verlieren? Jene Kugelschiffe haben Ross’ Himmelsmine und die Forschungsstation der Gans ohne jede Vorwarnung angegriffen. Unsere Kabbeleien sind ihnen völlig gleichgültig.«
»Darf ich Ihnen heiße Getränke anbieten?«, warf EA ein. »Ich kann sie schnell zubereiten.«
Die Menschen schenkten dem kleinen Kompi keine Beachtung.
»Ich verbiete es«, sagte Bram. »Und damit ist dieses Gespräch beendet.«
»Ach, wo habe ich diese Worte schon einmal gehört?«, fragte Tasia sarkastisch. »Hast du sie nicht auch an Ross gerichtet?«
EA versuchte, nicht den Anschluss zu verlieren, als Tasia hinausstürmte. Bram sah aus, als hätte ihm seine Tochter mit dem Hinweis auf den einen großen Fehler in seinem Leben einen tödlichen Schlag versetzt. Er ächzte und sank aufs Bett, die knorrigen Hände zu Fäusten geballt. Aber Tasia war bereits fort.
49 TASIA TAMBLYN
Verärgert und entschlossen schritt Tasia am Rand des Eisschelfs entlang, stampfte dabei mit den Füßen auf, sodass ihre Stiefel Abdrücke im Eis hinterließen. Sie blickte übers glatte, dunkle Wasser des Ozeans und erinnerte sich an ihren großen Bruder Ross.
Er hatte den Mut gehabt, der unvernünftigen Sturheit ihres Vaters die Stirn zu bieten. Er war tapfer und selbstsicher gewesen, hatte sich mit der Blauen Himmelsmine Erfolg gehabt und Cesca heiraten wollen. Tasia war sehr stolz darauf, was Ross ohne die Unterstützung ihres Vaters geleistet hatte.
Und dann kamen die Fremden und ruinierten alles. Sie griffen die prächtige Himmelsmine an, töteten Ross und die anderen.
Tasia sah eine Möglichkeit, ihn zu rächen. Eigentlich hätte sich ihr Vater darum kümmern sollen – oder besser noch Jess –, aber die Geschäfte der Familie erforderten ihre ganze Aufmerksamkeit. Das konnte Tasia durchaus verstehen. Die Pumpen und Konverter mussten in Betrieb bleiben, um Wasser zu verladen und Treibstoff herzustellen – andere Roamer brauchten Nachschub.
Doch das hinderte Tasia nicht daran, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Sie war absolut davon überzeugt, Recht zu haben – das würden ihr Vater und ihr Bruder irgendwann einsehen. Der Leitstern zeigte jedem Roamer seinen beziehungsweise ihren Weg und Tasia sah ihren ganz deutlich vor sich. Jemand aus dem Tamblyn-Clan sollte etwas gegen die fremden Angreifer unternehmen und außer ihr schien niemand infrage zu kommen.
Ihr Atem kondensierte in der kalten Luft. Die Wangen waren taub, aber trotzdem verzichtete Tasia darauf, die Kapuze über den Kopf zu ziehen. Wie ein dunkler Spiegel erstreckte sich das unbewegte Wasser des Ozeans. Nirgends wies etwas auf die singenden Nematoden hin, die sich bei der Gedenkfeier gezeigt hatten, und die Reste des Floßes waren längst verschwunden.
Tasia nahm einen Eisbrocken und warf ihn so weit wie möglich ins Meer. Früher hatten sie und ihre Brüder sich oft auf diese Weise vergnügt. Ross war in der Lage gewesen, eine kleine Eisscheibe so zu werfen, dass sie bis zu sechsmal von der Wasseroberfläche abprallte. Tasias Brocken fiel mit einem dumpfen Plop in den Ozean und kehrte nach ein oder zwei Sekunden an die Oberfläche zurück. Konzentrische Wellen dehnten sich aus.
»Manchmal muss man seine eigenen Wellen schaffen«, murmelte Tasia. Die Luft war so kalt, dass sie in ihrer Nase schmerzte. Vor langer Zeit hatte Ross eine sehr schwere Entscheidung getroffen, aber sie war für ihn notwendig gewesen. Tasia glaubte sich in einer ähnlichen Situation.
Sie sah keinen Sinn darin, weitere Worte darüber zu verlieren. Mit raschen Schritten kehrte sie zurück. Tasia beeilte sich nicht, weil sie fürchtete, es sich anders überlegen zu können, sondern weil sie keine Zeit verlieren wollte. Wenn sie sich einmal entschieden hatte, blickte sie nur noch nach vorn.
In ihrer kleinen Isolierhütte war es kühl und dunkel. EA eilte hin und her, räumte auf und machte sauber. Wenn die junge Frau nicht zugegen war, wurde die Grundprogrammierung des Kompi aktiv und sorgte dafür, dass er einfache Aufgaben durchführte.
»Shizz, hier ist es viel zu kalt«, sagte Tasia verärgert – sie machte sich nie die Mühe, ihre Stimmungen vor dem kleinen Kompi zu verbergen. »Erhöhe die
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