Das Imperium
Temperatur.«
»Bitte entschuldige«, erwiderte der Roboter. »Ich habe die Temperatur auf den von dir bevorzugten Standardwert eingestellt.«
»Und wenn schon, mir ist kalt.« Tasia streifte die Handschuhe ab, zog die Jacke aus und sank auf einen Stuhl. Sie musste rasch packen, letzte Vorbereitungen treffen und verschwinden. Verschwörerisch beugte sie sich vor. »EA, uns erwartet eine Aufgabe. Ich brauche deine Hilfe.«
»Gib mir einfach Anweisungen. Ich werde mich bemühen, dir in jeder Hinsicht zu helfen.«
Tasia war froh, dass bei der Programmierung von Kompis nur wenig Speicherplatz an moralische Prinzipien vergeudet wurde, die unter bestimmten Umständen zu Komplikationen führen konnten. »Du bist schon seit einer ganzen Weile bei mir, EA, aber jetzt muss ich dich um etwas Schwieriges bitten.« Der kleine Roboter unterbrach seine Tätigkeit, näherte sich und verharrte vor der jungen Frau. »Wir müssen diesen Ort heimlich verlassen.«
EA zögerte nur kurz, so kurz, dass Tasia sich fragte, ob ihr die eigene Phantasie einen Streich spielte. »Wie du möchtest. Bestimmt haben wir viel Spaß zusammen.«
»Wir werden meinen Bruder Ross rächen.«
»Ross war mein erster Herr. Ein prächtiger junger Mann.«
»Er ist tot«, sagte Tasia. »Fremde Wesen haben ihn umgebracht.«
»Wie traurig. Kann ich irgendwie helfen?«
Ross hatte den kleinen Kompi als Kind bekommen, damals, als ihre Mutter noch am Leben gewesen war. EA war etwas über einen Meter groß und ein hilfsbereites Zuhörer-Modell, ein guter Freund für jedes Kind. Nach Ross hatte Jess ihn bekommen und dann schließlich Tasia.
Neue Trauer erfasste sie, als sie sich an etwas erinnerte: EA war dem Angehörigen des Tamblyn-Clans versprochen worden, der das erste Kind bekam. Angesichts der Verlobung mit Cesca waren alle davon ausgegangen, dass es Ross sein würde. Doch der Angriff auf die Blaue Himmelsmine hatte alles geändert.
»Du kannst mir helfen, Plumas zu verlassen. Und du wirst mich begleiten, wenn wir einen Platz in der Terranischen Verteidigungsflotte finden.«
»Wie du meinst, Tasia«, erwiderte EA. »Sag mir einfach, was ich tun soll.«
Das Licht der künstlichen Sonnen in der Eisdecke trübte sich in regelmäßigen Abständen, um eine Pseudonacht entstehen zu lassen. Die Bewohner der Siedlung unter dem gefrorenen Himmel lebten mit der Illusion eines normalen Tag-Nacht-Zyklus. Als Tasia ihre Hütte während der dunkelsten Stunde verließ, sah sie phosphoreszierende Algen im Eis des Himmels. Sie leuchteten nicht so hell wie Sterne, aber ihr Licht genügte, um der jungen Frau den Weg zu den Liftschächten zu weisen, die bis zur Oberfläche reichten.
In der Hütte ihres Vaters saßen Jess und Cesca noch immer an der Seite des Alten, aber Tasia eilte weiter, hielt an ihrer Entschlossenheit fest. Vor einer Weile war Jess zu ihr gekommen, um zufrieden festzustellen, dass seine Schwester in ihrer Hütte saß. Tasia hätte sich ihm am liebsten anvertraut, aber sie kannte ihren Bruder. Jess glaubte immer zu wissen, was für andere Leute am besten war, und davon ließ er sein Verhalten bestimmen. Wenn er geahnt hätte, was seine Schwester plante… Vermutlich wäre er sogar bereit gewesen, sie an einen Stuhl zu fesseln, um sie zurückzuhalten, angeblich zu ihrem eigenen Wohl. Das wollte Tasia nicht riskieren. Sie mochte ihren Bruder sehr und hoffte, dass er irgendwann verstand.
Als sie zusammen mit EA den Liftschacht betrat, verabschiedete sie sich in Gedanken von den runden Hütten und ihren schlafenden Bewohnern. Dann schloss sie die Tür und die Transportkapsel trug sie zur Oberfläche empor. Tunnel und gewaltige Rohrleitungen führten zu den Bruchstellen im Eis. Tasia wusste, dass dort irgendwo ihre Mutter lag, umschlossen vom Eis.
Die Tamblyns verdienten viel Geld, indem sie Wasser an die Oberfläche ihrer Welt pumpten, wo es von Frachtschiffen aufgenommen und zu Verteilungszentren gebracht wurde. Die Lande- und Wartungsbereiche des Raumhafens standen direkt mit den Pumpstationen in Verbindung. Es befanden sich keine Schiffe im Anflug und während der Trauerzeit ruhten die Wassergeschäfte – deshalb hatte man die Wasserschächte mit Isolierkappen geschlossen, auf denen Eiskrusten glänzten. Wie zart anmutende Bohrtürme ragten sie weit auf; in der geringen Schwerkraft des Mondes brauchten sie nicht abgestützt zu werden.
In einem flexiblen, transparenten Tunnel wanderten Tasia und EA über den Eispanzer von Plumas, unter einem
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