Das Imperium
Bruders hörte, war sie sehr traurig. Beneto informierte sie selbst – seine Schwester sollte nicht von ihren Eltern oder gerüchteweise davon erfahren. Sie dachte daran, wie oft sie zusammen im Wald gewesen waren, um über einheimische Pflanzen, die großen Weltbäume oder das zu reden, was ihr durch den Kopf ging – das alles würde sie sehr vermissen. Aber sie sah in Benetos Gesicht, dass die freiwillige Mission auf Corvus Landing für ihn einem Traum gleichkam, der in Erfüllung ging.
»Ich werde oft an dich denken, Beneto«, sagte Estarra und fühlte sich bereits allein. »Vielleicht bekomme ich eines Tages Gelegenheit, dich auf Corvus Landing zu besuchen.«
Beneto lachte. »Soweit ich weiß, verirren sich nicht viele Touristen dorthin. Aber dem alten Talbun scheint es dort zu gefallen. Ich freue mich darauf, seinen Platz einzunehmen, auf dass er ruhen kann.«
Estarra wollte einen eigenen Beitrag zu der Abschiedsfeier leisten, einen, auf den ihr Bruder stolz sein konnte. Sie dachte an die Möglichkeit, bei den Vorbereitungen für das Bankett zu helfen, beschloss dann aber, eine Köstlichkeit zu holen, die Beneto besonders schätzte: Stücke aus der zarten Außenhaut des Pilzriffs, wie es sie nur ganz oben gab, in den unbewohnbaren Bereichen der Stadt.
Estarra und ihre Schwester Celli kletterten zu den oberen Kammern des Pilzriffs empor, wo die Wände zu jung und zu weich waren, als dass man darin Wohnräume hätte einrichten können. Mit Beuteln an den Hüften und Dornen an den Stiefeln machten sich die beiden Mädchen bereit, an den Hängen aus weichem Gewebe aufzusteigen.
»Du bist zu alt für so etwas«, sagte Celli und sah ihre Schwester an. Estarra war gerade dreizehn geworden und befand sich damit in einem schwierigen Alter. Einerseits sah sie sich bereits als Erwachsene, andererseits widerstrebte es ihr, die Kindheit ganz aufzugeben.
»Nein, das bin ich nicht«, erwiderte sie, bereit dazu, ihre Schwester zu knuffen. »Außerdem mache ich dies für Beneto und du wirst mich nicht daran hindern.«
»Ich sammle mehr Pilzfleisch als du«, sagte Celli. »Er ist auch mein Bruder.«
Ja, das ist er, dachte Estarra. Und wir verlieren ihn beide, wenn er uns morgen verlässt.
Estarra schob sich durch die gummiartige Hautfalte eines natürlichen Fensters; mit einem Haken arbeitete sie sich zum äußeren Dach vor. Celli folgte ihr dichtauf; die Dornen an den Stiefeln gaben ihr genug Halt. Sie holte ihr Messer hervor und hielt nach einer guten Stelle Ausschau, abseits der Narben, die dort zurückgeblieben waren, wo andere Kinder Pilzfleisch geschnitten hatten. »Sei vorsichtig!«, rief sie ihrer Schwester hinterher.
Estarra kletterte direkt nach oben, zur höchsten Stelle des Riffs, wo es das zarteste Fleisch gab. »Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten.« Sie wusste, dass ihre Schwester in dieser Sache einen Wettkampf sah, den es zu gewinnen galt, während sie selbst dabei nur an Beneto dachte. Sie wollte ihrem Bruder in guter Erinnerung bleiben, damit er an sie dachte, wenn er sich auf Corvus Landing einsam fühlte.
Estarra streckte den Arm aus, stieß einen Metallstab in die weiche Masse und zog sich noch etwas höher. Sie lag flach auf der Pilzhaut, koch nach oben und stützte sich mit dem Fuß am Stab ab, der unter ihrem Gewicht wackelte.
Sie begann damit, einzelne Stücke aus dem Pilzfleisch zu schneiden und im Beutel an ihrer Hüfte zu verstauen. Es war ein sehr anstrengendes Unterfangen und Estarra biss die Zähne zusammen. Sie dachte daran, wie sehr sich Beneto über die Leckereien freuen würde. Sarein hielt sicher nicht viel davon, dass ihre Schwester so weit nach oben geklettert war und die Arbeit eines Kindes erledigte. Sie hätte Estarra vermutlich aufgefordert, sich mit wichtigeren Dingen zu befassen. Aber was sollte wichtiger sein als dies? Estarra biss sich auf die Lippe, schob sich noch höher und dachte daran, dass keine andere Schwester bereit gewesen wäre, ein solches Wagnis für ihren Bruder einzugehen.
Sie beugte sich vor, um noch ein Stück Pilzfleisch abzuschneiden, obgleich ihr Beutel fast gefüllt war. Dabei stieß sie unabsichtlich gegen eine Sporenkapsel, die sofort platzte – eine dichte Wolke aus weißem Pulver wehte dem Mädchen entgegen.
Estarra nieste heftig, als ihr die Sporen in Nase und Hals gerieten. Sie konnte nicht mehr atmen und nieste erneut, erzitterte dabei am ganzen Leib und geriet dadurch ins Rutschen. Verzweifelt bewegte sie die mit Dornen
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