Das Imperium
verloren.«
Die Stimme bekam einen scharfen, beschwörenden Unterton. »Du hast deine eigene Verantwortung, deine eigenen Pflichten. Das verstehe ich. Doch jetzt sind nur wir beide von der Familie übrig. Unsere Onkel kümmern sich um die Wasserminen, was nur recht und billig ist. Ich helfe, wo ich kann, aber ich brauche dich hier, kleine Schwester. Kannst du heimkehren? Du hast deinen Standpunkt deutlich gemacht, indem du zu den Tiwis gegangen bist. Du schuldest der Großen Gans nichts.«
Tasia versteifte sich, als sie diese Worte hörte, denn tief in ihrem Herzen wusste sie, dass sie der TVF Loyalität schuldete. Sie hatte sich dazu entschieden, Soldat zu werden und den Eid abzulegen. Außerdem wusste sie, dass die anderen, ungeschickten Rekruten kaum eine Chance gegen den Feind hatten. Sie dachte an die Kleebs und daran, wie schlecht sie von ihnen behandelt wurde… Aber das bedeutete nicht, dass sie die Flotte einfach so verlassen konnte. Jetzt zu desertieren… Damit hätte sie den Schandmäulern Recht gegeben und bestätigt, unzuverlässig zu sein und kein Vertrauen zu genießen.
Die plötzliche Veränderung ihrer Welt brachte Tasia ins Wanken. Sie dachte ans vertraute Eis von Plumas, an die Wasserminen, an die kalten Geysire und die Pumpstationen an der Oberfläche.
»Tasia, komm zurück, wenn du kannst«, wiederholte Jess. »Oder finde einen anderen Weg, um unsere Familie stolz zu machen. Ich vertraue darauf, dass du die richtige Wahl triffst. Du weißt selbst, was am besten ist.«
Tasia schluckte einen Kloß in ihrem Hals hinunter. Sie starrte in EAs Metallgesicht und stellte sich darin die Züge ihres Bruders vor.
»Ich kann jetzt nicht fort, Jess«, sagte sie. Als keine weiteren Worte erklangen, fragte sie: »EA, weißt du, wie sich eine Antwort übermitteln lässt?«
»Eine Antwort worauf, Tasia?«
»Auf die Nachricht.«
»Welche Nachricht meinst du?«
»Die Nachricht, die du aufgezeichnet hast und die ich mir gerade angehört habe.«
EA zögerte, als er auf seine Speichermodule zugriff. »Ich erinnere mich an keine Nachricht, Tasia. Wir sind hier mit der Inventur beschäftigt gewesen.«
Offenbar hatte Jess der Mitteilung einen Löschbefehl hinzugefügt. Raffiniert – und typisch. Tasia konnte sich seine Stimme nicht noch einmal anhören, so sehr sie es sich auch wünschte. Ihr Bruder war vorsichtig, denn er wusste, dass sich EA in der Nähe von Soldaten befand, denen nicht unbedingt das Interesse von Roamern am Herzen lag.
»Ach, schon gut, EA«, sagte Tasia und sah zu den versiegelten Behältern mit Handschuhen, die es zu überprüfen galt. Voller Kummer konzentrierte sie sich wieder auf die Arbeit und trachtete danach, nicht mehr an Jess und Plumas zu denken.
75 BASIL WENZESLAS
Die tiefen roten Schluchten wirkten wie offene Wunden und liefen von der marsianischen TVF-Basis aus in alle Richtungen. Basil Wenzeslas saß im runden Cockpit des mit breiten Tragflächen ausgestatteten Transportgleiters, sah nach unten und betrachtete die zerklüftete Landschaft.
Neben ihm bediente General Kurt Lanyan die Kontrollen und flog den Gleiter durch die dünne Atmosphäre des roten Planeten. Wie ein Schwarm silbriger Elritzen sausten kleine Raumschiffe über die marsianische Wüste: Remoras und modifizierte private Yachten, für die TVF requiriert. Die Piloten wichen Felsnadeln aus, rasten durch Schluchten, die an hohen Wänden endeten, rissen ihre Maschinen in letzter Sekunde hoch und jagten der Dunkelheit des Alls entgegen.
»Die Ausbildung der Truppen kommt mit dem notwendigen Nachdruck voran, Vorsitzender Wenzeslas«, sagte Lanyan. »Es kam zu einigen Unfällen, aber sie bleiben in einem akzeptablen Rahmen, wenn man Anzahl und Art der vielen zivilen Schiffe berücksichtigt, die wir in die TVF aufgenommen haben.«
»Wie viele Unfälle?«, fragte Basil und beobachtete zwei Schiffe bei einem atemberaubend tollkühnen Manöver in einer schmalen Schlucht.
»Elf, Sir.«
»Verluste?«
Lanyan schloss die Hände fester ums Steuer und zögerte kurz, von Unbehagen erfasst. »Vorsitzender Wenzeslas, Sir… Dies ist der Mars. Unfälle führen zwangsläufig zu Verlusten. Sowohl die Schiffe als auch ihre Besatzungen gingen verloren.«
Sie beobachteten weiterhin die Manöver, während sie über die immer ernster werdende Situation sprachen. Die umfassende militärische Mobilmachung erforderte eine Umrüstung vieler Industrien der Hanse. Die TVF empfing Rohmaterial und Fertigteile von vielen Kolonialwelten.
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