Das Imperium
sentimental gelten will.«
Ross’ Lächeln wuchs in die Breite. »Ja, sie fehlt mir ebenfalls.«
Jess griff in eine zweite Tasche und holte ein kleines, gebundenes Buch mit vergilbten Seiten hervor. Die meisten von ihnen waren leer, aber auf einigen zeigte sich eine verblasste Handschrift. »Ein altes Logbuch. So etwas verwendeten Kapitäne auf Meeren, um die einzelnen Phasen ihrer Reisen zu beschreiben. Es ist von Vater.«
Ross steckte den Kompass ein und ergriff das rote Buch mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Skepsis. »Dies ist von Vater?« Er blätterte, starrte auf die handgeschriebenen Worte und sah dann Jess an. »Das kann ich nicht glauben. Er würde mir dies nicht geben. Du hast das Buch aus Plumas herausgeschmuggelt, nicht wahr? Ebenso wie die anderen Geschenke, die du im Verlauf der letzten Jahre mitgebracht hast und aus dem Besitz der Familie stammen.«
Es gelang Jess nicht, einen unschuldigen Gesichtsausdruck zu wahren. »Soll ich es wieder mitnehmen?« Ross hielt das Logbuch so, als spielte es kaum eine Rolle für ihn, aber Jess wusste: Das Geschenk bedeutete ihm viel, auch wenn es vom Bruder stammte und nicht vom Vater.
Sie beide kannten Bram Tamblyn gut. Er war ein strenges, unnachgiebiges Familienoberhaupt und hatte sein ganzes Leben lang darauf bestanden, dass alles genau so erledigt wurde, wie er es wollte. Diese Haltung funktionierte bei den Angestellten, die unter dem Eis von Plumas in den Wasserminen arbeitete. Aber Bram Tamblyns erster Sohn hatte den Starrsinn seines Vaters geerbt. Über Jahre hinweg war es zwischen ihnen immer wieder zu heftigen verbalen Auseinandersetzungen gekommen, bis es dem zweiundzwanzigjährigen Ross schließlich reichte.
Der alte Bram hatte gedroht, Ross zu verstoßen, wenn er sich nicht seinen Wünschen fügte, und der junge Mann verblüffte seinen Vater, indem er es darauf ankommen ließ. Voller Zorn kündigte Bram an, Ross aus dem Clan auszuschließen, doch Ross kam ihm zuvor. Er verlangte das ihm zustehende Familienerbe und bestand darauf, seinen eigenen Weg zu gehen.
Jess war damals dabei gewesen, ebenso Tasia. Zwar griffen sie ein und versuchten, Frieden zwischen dem Vater und seinem ersten Sohn zu stiften, aber der alte Herr wollte nichts davon wissen. Jess erinnerte sich an das berechnende Funkeln in Brams Augen. Der Reichtum des Clans nahm Jahr um Jahr zu, und wenn Ross sein Erbteil jetzt nahm und auf alle zukünftigen Ansprüche verzichtete, so würde er letztendlich als Verlierer dastehen. Bram berechnete den Anteil, überließ ihn seinem Erstgeborenen und teilte Ross mit, dass er nie wieder Geld von ihm bekommen würde.
Ross hatte auch nie um mehr gebeten. Er investierte sein Erbe klug und übernahm die Blaue Himmelsmine. Bei ihrem Betrieb bewies er einen guten Sinn fürs Geschäft und es gelang ihm, bis zu seinem achtundzwanzigsten Geburtstag den größten Teil der Schulden zurückzuzahlen. Der alte Bram spiegelte Ärger und Verdruss vor, war aber insgeheim stolz.
Wenn Jess die Himmelsstation besuchte, kam es nie zu Animosität zwischen den Brüdern. Andererseits: Ross’ Starrsinn würde vermutlich eines Tages dazu führen, dass Jess offizielles Oberhaupt des Tamblyn-Clans wurde und die lukrativen Wasserminen von Plumas erbte, was Einfluss und Reichtum bedeutete. Er strebte diese Stellung nicht an, aber er wollte auch niemanden enttäuschen.
Vor der Blauen Himmelsmine ragte eine ambossförmige graurote Wolke aus tieferen Atmosphärenschichten auf. Ross trat zu einer nahen Konsole, veränderte die Ausrichtung der Abgasschlote und benutzte sie wie Manövrierdüsen. Die riesige Himmelsstation änderte den Kurs und neigte sich nach Norden, um dem Mahlstrom aus zornigen Wolken auszuweichen.
»Der Sturm dort könnte einen ganzen Planeten verschlingen«, sagte Ross. Die Tauben wurden unruhig und folgten der Himmelsmine, denn nur dort gab es Stangen, auf denen sie sitzen konnten.
»Pass nur auf, dass er nicht die Station verschluckt«, sagte Jess. »Besteht Gefahr?«
»Nicht mit mir an den Navigationskontrollen. Wenn der Wind zu stark wird, kann ich jederzeit in eine höhere Schicht aufsteigen.« Er zögerte und richtete einen erwartungsvollen Blick auf seinen jüngeren Bruder. »Äh… hast du etwas von Cesca mitgebracht?«
Jess zwang sich, in einem leichten Tonfall zu sprechen. Dies war das Schwerste von allem. »Glaubst du, mehr zu brauchen als ihre Liebe?«
»Nein, eigentlich nicht.«
Jess wollte das Thema wechseln, doch das Bild der
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