Das Imperium
schönen Francesca Peroni verharrte vor seinem inneren Auge. Seit Jahren war Ross mit ihr verlobt. »Jhy Okiah hat Cesca mit einer offiziellen Petition zu ihrer Nachfolgerin als Sprecher der Roamer ernannt.«
»Das überrascht mich nicht.« Ross sah stolz aus, aber seine Stimme war sachlich. »Sie ist eine sehr talentierte Frau.«
»Ja, das stimmt.« Jess schloss den Mund, um nicht zu riskieren, mehr zu sagen. Seit einem guten Jahr war er bis über beide Ohren in Cesca verliebt, und er wusste, dass sie seine Gefühle erwiderte. Zu ihrer Verlobung mit Ross war es lange vor der ersten Begegnung mit Jess gekommen, doch Ehre und Politik der Roamer ließen nicht zu, die Verlobung zu lösen. Hinzu kam Jess’ Pflichtbewusstsein seinem Bruder gegenüber.
Ross hatte hart gearbeitet, um die schwierigen Bedingungen zu erfüllen, auf die Cesca und er sich für die Hochzeit geeinigt hatten. Jess wollte seinen Bruder auf keinen Fall in Verlegenheit bringen oder verletzen, und das galt sicher auch für Cesca. Beide brachten Ross kompromisslose Loyalität entgegen, und sie alle waren an die komplexen sozialen Gepflogenheiten der Roamer-Kultur gebunden. Jess hatte sich mit einer unerwiderten Liebe abgefunden. Er war entschlossen, stark zu sein und ohne Cesca zu leben, obgleich sie immer in seinem Herzen sein würde.
Ross ahnte nichts von den Gefühlen, die Jess seiner Verlobten entgegenbrachte, und Jess hatte sich geschworen, ihn nie darauf hinzuweisen. Andernfalls wäre der Preis, den sie alle hätten zahlen müssen, viel zu hoch gewesen.
Nach einer gemeinsamen Mahlzeit und einigen Runden Sternenspiel, zusammen mit drei Arbeitern aus der Crew, schlief Jess auf einer Gästekoje. Früh am nächsten Morgen, als Golgens Sonne über den verschwommenen Horizont kletterte, verließ er die Blaue Himmelsmine.
Er verabschiedete sich von Ross und brach mit der wertvollen Ekti-Fracht auf, um das Golgen-System zu verlassen und zu einer Transportstation der Roamer zu fliegen, wo der Treibstoff Tankschiffen der Gans übergeben werden konnte.
Er nahm auch Geschenke und Briefe von Ross mit, denn nach der Ablieferung des Ekti wollte Jess den Flug zum zentralen Roamer-Komplex namens Rendezvous fortsetzen. Mit Stichen im Herzen aber einem neutralen Gesichtsausdruck würde er die Liebesgaben seines Bruders Cesca Peroni bringen.
14 CESCA PERONI
Die Raumjacht der Roamer wahrte ihre Position am vereinbarten Treffpunkt im leeren All. Das private Schiff trug keine Markierungen, die darauf hindeuteten, wer sich an Bord befand: die Sprecherin aller Roamer-Clans und ihr Protegé. Die Roamer ließen sich nicht in die politischen Karten schauen und verwendeten nur selten Embleme, die auf Status und Macht hinwiesen.
Cesca Peroni saß im Sessel des Kopiloten und behielt die Ortungsanzeigen im Auge. Ferne Sterne leuchteten um sie herum, manche halb verhüllt von Nebeln und Gasschleiern. »Noch keine Anzeichen des anderen Schiffs.« Cesca hatte große Augen, dunkle Haut und einen Sinn für Humor, der ihrem ausgeprägten Pflichtbewusstsein in nichts nachstand. Sie versuchte immer, aufgeschlossen und aufmerksam zu sein.
Neben ihr saß die sehnige alte Jhy Okiah und sah so aus dem Fenster, als verdiente jeder einzelne Stern ihre Aufmerksamkeit. »Geduld, Geduld.« Die Sprecherin verfügte über eine unerschütterliche innere Ruhe und eine Intelligenz, mit der sie nie protzte.
Ein Indikator blinkte auf der Konsole vor Cesca. »Ah, da kommt er.«
Jhy Okiah schürzte die Lippen, als sie ins All hinausblickte und nach einem dahingleitenden Punkt Ausschau hielt, der das diplomatische Schiff mit dem theronischen Erben Reynald ankündigte. Über Monate hinweg hatte sich der Sohn von Mutter Alexa und Vater Idriss mithilfe von Vermittlern und immer neuen Botschaften bemüht, dieses Treffen mit Repräsentanten der Roamer zu vereinbaren. Seine Beharrlichkeit war bewundernswert.
»Jetzt bekommt er, was er sich wünschte«, sagte Jhy Okiah mit ihrer rauen Stimme. »Ich muss lächeln bei dem Gedanken, wie erstaunt der Vorsitzende Wenzeslas wäre, wenn er von Reynalds Bemühungen wüsste.«
Cesca sah die Sprecherin an. »Vielleicht versteht uns dieser junge Mann besser als andere menschliche Regierungen.« Beide Frauen wussten von Reynalds Reise; und sie respektierten das Interesse des jungen Mannes an den wichtigsten Welten und Gesellschaften des Spiralarms, darunter auch die oft verkannten Roamer.
Jhy Okiah runzelte die Stirn. »Oder wir haben unsere Geheimnisse
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