Das Imperium
Cesca und verbarg sein Interesse an ihr nicht. »Vielleicht könnten wir auf andere Art und Weise ein Bündnis schließlich, zum Beispiel durch eine Vermählung…«
Cesca hob die Hand und sah erst auf ihre schmalen Finger, bevor sie Reynalds Blick begegnete. »Eine Ehe wäre tatsächlich ein gutes Symbol für unser Bündnis, aber ich muss Sie darauf hinweisen, dass ich bereits verlobt bin, mit dem Eigner einer großen, profitablen Himmelsmine.« Und ich liebe seinen Bruder.
Reynald wandte den Blick verlegen ab, wodurch er jünger wirkte. »Er ist ein glücklicher Mann.«
Mitgefühl regte sich in Cesca. Und noch mehr: Sie fühlte sich sogar zu Reynald hingezogen. Aber sie war in jedem Fall an das Eheversprechen Ross Tamblyn gegenüber gebunden, ungeachtet ihrer geheimen Gefühle für Jess. Mit Reynald wäre die Situation noch weitaus komplexer und geradezu unerträglich geworden.
Zwar waren keine konkreten Vereinbarungen getroffen worden, aber Reynald schien trotzdem recht zufrieden mit dem Gespräch zu sein. Er stand auf und verbeugte sich. »Bevor ich nach Theroc zurückkehre, möchte ich die Gelegenheit nutzen, um Sie oder andere Roamer Ihrer Wahl herzlich zu einem Besuch des spektakulären Weltwaldes einzuladen. Früher oder später haben Sie die Leere des Alls sicher satt.«
»Das All ist nicht leer, wenn man weiß, wonach es Ausschau zu halten gilt.« Cesca schüttelte ihm die Hand. »Aber ich würde mich freuen, Ihren Wald einmal zu sehen.«
15 NIRA KHALI
Gut ausbalanciert stand Nira Khali auf einem Blattwedel, der zum grünen Dach der Welt gehörte. Selbst so hoch über dem Boden blieb sie ohne Furcht. Sie war noch nicht grün geworden, hatte noch nicht gefühlt, wie der Weltbaumgesang durch ihr Blut pulsierte. Dennoch vertraute sie dem Weltwald mit ihrer ganzen Seele.
Noch war ihre Haut dunkelbraun, aber es würde nicht mehr lange dauern, bis sie die Photosynthese-Pigmentierung aufwies, die allen zeigte, dass die prächtigen Bäume sie akzeptiert hatten. Während des größten Teils ihres jungen Lebens war sie Akolyth gewesen. Sie verstand den Wald und kommunizierte mit dem Selbst des Waldes, obwohl die Bäume sie noch nicht direkt hören konnten.
An diesem Tag las sie mit lauter Stimme und ging ganz in einer Geschichte auf, die zur alten, von den Kolonisten der Caillie mitgebrachten Literatur gehörte. Sie spürte, dass die Bäume Gefallen fanden an den Geschichten über König Artus und die Ritter der Tafelrunde. Nira hatte verschiedene Versionen von Sir Thomas Malorys Le Morte d’Arthur gelesen, auch Nacherzählungen von Howard Pyle, John Steinbeck und anderen. Es gab viele Widersprüche in den Legenden, aber Nira war sicher, dass sich die Bäume davon nicht verwirren ließen. Der Waldgeist liebte Widersprüchlichkeiten und Diskrepanzen; ein Teil des noch rudimentären und wachsenden Bewusstseins dachte über die Konsequenzen nach.
Nira diente dem Weltwald, indem sie den Bäumen vorlas, aber sie freute sich auch über die Möglichkeit, selbst zu lernen. Seit Jahren fertigte sie Aufzeichnungen darüber an, wohin missionarische grüne Priester aufbrachen, um Schösslinge auf anderen Planeten zu pflanzen und den Weltwald zu verbreiten.
Man lehrte die Akolythen, sich um den Wald zu kümmern. Sie pflegten die kleinsten in Töpfen wachsenden Schösslinge, die für den Transport zu anderen Welten bestimmt waren. Sie lösten alte Blattwedel von den größten und ältesten Bäumen im Wald, reinigten die Borke von Parasiten. Niras Lieblingstätigkeit bestand darin, laut zu lesen, und sie glaubte, dass es auch den Bäumen gefiel. Wenn sie zu den Bäumen sprach, horchte Nira immer mit ihren inneren und äußeren Ohren, lauschte nach einer Antwort. Eines Tages, wenn sie zur grünen Priesterin geworden war, würde sie die Stimme hören.
Akolythen trugen nur einen knappen Lendenschurz, um den Bäumen möglichst viel Haut zu zeigen. Menschliche Haut war ein empfindlicher Rezeptor, gewissermaßen ein Interface für die Weltbäume. Wenn Nira für ihre tägliche Arbeit zum Blätterdach emporkletterte, streichelte sie die Blattwedel und schmiegte sich an den Stamm. Sie hatte sich das dunkle Haar ganz kurz geschnitten, wie die meisten Akolythen; nur ein wenig Flaum zeigte sich oben auf ihrem Kopf. Wenn sie schließlich das Grün bekam, fielen ihr alle Haare aus.
Von Kindesbeinen an hatte sie gewusst, dass sie einmal Teil des ökologischen Weltwald-Netzes sein würde, das Jahr um Jahr wuchs. Bevor die Ildiraner
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