Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Implantat: Roman (German Edition)

Das Implantat: Roman (German Edition)

Titel: Das Implantat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel H. Wilson
Vom Netzwerk:
haben«, erklärte die Chicagoer Polizei in einer Stellungnahme.

14
    Draußen auf dem Feld
    D reißig Sekunden später trabe ich keuchend die leere Hauptstraße von Eden hinab und kann nicht anders, als mir vorzustellen, wie gleich Lyles trauriges, wütendes Leben enden wird. Die Sache scheint so unausweichlich wie der Sonnenuntergang.
    Der dünne Cowboy marschiert auf jenes trockene Feld hinaus und faselt dabei etwas von Krieg, neuen Welten und Vergeltung. Kriegt eine Ladung Schrot in den Bauch. Geht zu Boden und feuert wie wild mit seiner Pistole um sich, während seine Innereien aufs Gras platschen. Erwischt einen oder zwei der besoffenen Idioten, die umfallen wie nasse Säcke. Dann stürmen die restlichen Hinterwäldler die Siedlung und machen sie dem Erdboden gleich.
    So klar kann ich die Szene vor mir sehen, dass sie mir vorkommt wie eine Erinnerung. Ich renne schneller den unbefestigten Weg entlang, an dunklen Wohnwagen und summenden Straßenlaternen vorbei.
    Hinter dem Zaun kann ich bereits Rufe hören. Dünn und schrill kommen sie mit der lauen Brise herübergeweht. Lyle muss geradewegs auf das Feld hinausmarschiert sein. Er ist stinksauer und hat eine militärische Ausbildung, aber er ist allein, und die Wächter des Feldes haben Waffen.
    Fünf Zenith-Träger sind übrig – und gleich wahrscheinlich nur noch vier.
    Als ich zu Lucys Wohnwagen komme, muss ich mich an Schaulustigen vorbeidrängen. Sie stehen in kleinen Grüppchen zusammen und meiden das Licht der Veranda. Ein paar der Gesichter erkenne ich trotz der Dunkelheit wieder, doch es sind auch viele Neuankömmlinge dabei. Der Strom der mit Decken und Lebensmitteln bepackten Autos hat nicht nachgelassen. Jeden Tag kommt eine weitere Familie an, wird ein weiterer Wagen auf dem Parkplatz abgestellt, ein weiterer Hund an irgendeinem Baum festgebunden. Und jetzt sehen sie alle mit besorgten Mienen aufs Feld hinaus.
    Ich weiß auch sofort, warum: Lyle ist ganz allein da draußen.
    Jenseits des Zauns steht eine Gruppe von vielleicht zwei Dutzend Männern in einem unordentlichen Halbkreis um Lyle herum.
    Zum Glück hat noch niemand von Lyles Astra-Soldaten mitbekommen, was vor sich geht. Sonst würde hier kein Kampf drohen, sondern ein Krieg.
    Gewehre, Bierflaschen, geballte Fäuste. Die großen Scheinwerfer, die an dem Turm angebracht sind, tauchen Lyles mageren Körper in gleißendes Licht, und auch der ein oder andere Handscheinwerfer ist auf ihn gerichtet. In seinem schmutzigen Unterhemd und den staubigen Jeans sieht er aus wie ein abgerissener Berufsboxer, der sich schon vor dem Kampf geschlagen geben muss – K.o. durch Übermacht. Viel ist wirklich nicht dran an der dünnen Silhouette, die da so klar umrissen im Gegenlicht steht. Vor ihm fächern sich die dunklen Schatten auf wie ein Strauß wurfbereite Messer.
    Noch hat der Kampf nicht begonnen, doch so, wie Lyle die Schultern hält, kann es nicht mehr lange dauern.
    Ein rotierender Lichtreflex segelt an Lyles Kopf vorbei, aber er zuckt nicht mal zusammen. Eine leere Whiskeyflasche landet im Gras und rollt fast bis an den Zaun heran.
    »Bereit zu sterben, Frankenstein?«, ruft jemand.
    Ich steige über den eingefallenen Holzzaun, erklimme den glänzenden neuen Maschendrahtzaun und laufe aufs Feld hinaus. Das Atmen fällt mir nicht gerade leicht. Ich muss mich richtiggehend darauf konzentrieren, Luft in meine Lungen zu saugen. Und beim Ausatmen rutscht mir jedes Mal ein leiser, angespannter Fluch mit raus.
    Scheiße. Scheiße. Scheiße.
    Während ich das Feld überquere, richten sich ein paar der Scheinwerfer auf mich und werfen meinen Schatten hinter mir auf das Gras. Vom Licht geküsste Motten fliegen über meinem Kopf herum. Eine absurde Sekunde lang habe ich das Gefühl, ich bin wieder in der Kinderliga und trotte bei einem nächtlichen Baseballspiel aufs Feld hinaus. Aber wo ist dann mein Handschuh?
    Plötzlich schießt jemand mit einem Gewehr in die Luft, und ich spüre, wie mir kalter Schweiß über den Nacken läuft.
    »Da kommt deine Freundin, Cowboy«, ruft einer der Männer.
    Gelächter.
    Ich stelle mich dicht neben ihn, doch Lyle dreht sich nicht einmal um. Er summt unmelodisch vor sich hin und wiegt dazu sanft seinen Körper. Ich packe ihn an der Schulter und drehe ihn zu mir. Erleichtert bemerke ich, dass er keine Waffe in der Hand hält.
    »So läuft das nicht«, zische ich.
    Als ich Lyle jetzt direkt vor mir habe, bekomme ich den Eindruck, dass er mich überhaupt nicht wahrnimmt.

Weitere Kostenlose Bücher