Das Implantat: Roman (German Edition)
den Bildschirm gerichtet. Ich sehe die Muskeln in ihrem Kiefer arbeiten, aber ängstlich wirkt sie nicht. Eher traurig.
»Tiere«, murmelt sie. »Eine Horde wilder Tiere.«
»Wir müssen etwas tun«, sage ich. »Dort rausgehen.«
»Und dann?«, fragt Jim. »Sollen wir sie erschießen? Wir können nichts tun, außer abzuwarten. Der Junge kommt in Ordnung. Irgendwann wird sich alles wieder beruhigen.«
»Warum sollte es?«, gebe ich zurück.
»Weil die meisten Menschen gut sind«, erwidert Jim. »Nur nicht, wenn sie Angst haben.«
Ich schaue durch die offene Tür in Richtung Feld. Diese Typen mit den Scheinwerfern sind immer noch da draußen. Besaufen sich. Johlen und lachen. Schwenken ihre Scheinwerfer über unsere Wohnwagen. Nichts würde ich lieber tun, als dort rauszugehen und es ihnen heimzuzahlen. Inzwischen weiß ich ja, wie ich meinen Zenith aktiviere. Aber ich habe keine Ahnung, welche Fähigkeiten er mir verleiht.
»Die Arschlöcher, die das getan haben, wirken nicht, als hätten sie Angst«, meine ich.
»Doch, innerlich sind sie außer sich vor Angst. Sie warten bloß auf einen Grund, um losballern zu dürfen. Wenn wir jetzt da rausgehen, wird der Konflikt nicht dort draußen bleiben. Dann kommt er zu uns herein, hierher nach Eden. Wir dürfen uns zu nichts hinreißen lassen. Nick ist wieder in Sicherheit. Das ist der Preis, den wir zahlen müssen. Und der ist nicht zu hoch.«
»Wir sollten diesen Preis nicht zahlen müssen.«
Jim tritt gegen den Couchtisch. »Wir haben Glück, wenn wir ihn zahlen
dürfen!
«, ruft er. »Denn Joseph Vaughn wartet nur darauf. Er wartet nur darauf, Owen. Seine Anhänger würden nichts lieber tun, als noch heute Nacht hier reinzukommen und uns alle abzuknallen wie streunende Hunde. Wir sitzen auf einem Pulverfass, überall im Land. Willst du derjenige sein, der es hochgehen lässt?«
Ich blinzle verdutzt. Jims plötzlicher Ausbruch hat meiner Wut die Spitze genommen.
»Owen«, sagt Lucy leise, »wir haben größere Probleme.«
Eine sehnige Hand packt mich von hinten an der Schulter. Sanft werde ich von der Tür weggeschoben. Ein dünner Cowboy kommt in den Wohnwagen gestampft. Er riecht nach Benzin und Bier.
»Geht es meinem Neffen gut?«, fragt Lyle scheinbar teilnahmslos.
»Er wird wieder in Ordnung kommen«, antwortet Jim und stellt sich so hin, dass Lyle Nicks Schläfe nicht sehen kann.
Doch der Cowboy hat die Verletzung schon bemerkt. »Waren das die vom Feld?«
Jim schweigt. Lucy und ich sagen ebenfalls kein Wort.
»Kommst du mit, Gray?«
»Wir können nicht da rausgehen. Nicht heute Nacht.«
»Na gut«, sagt Lyle, macht kehrt und marschiert in die warme Dunkelheit hinaus. Lässt nur geisterhaften Benzingeruch im Raum zurück. Ist so schnell wieder verschwunden, dass man meinen könnte, er wäre gar nicht da gewesen.
Nur wissen wir natürlich alle, wohin er geht.
The New York Times
News-Blog
Polizei setzt Tränengas gegen Amp-freundliche Demonstranten ein
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Neuestes Update, 19.38 Uhr. In der Innenstadt von Phoenix haben Bereitschaftskräfte der Polizei Tränengas gegen Demonstranten eingesetzt, die sich weigerten, die Stufen des Landtagsgebäudes zu verlassen. Die mehrere tausend Teilnehmer zählende Demonstration hat sich daraufhin aufgelöst.
Die Polizei von Phoenix hat folgende Erklärung zu dem Einsatz herausgegeben:
»Unsere Beamten haben im Einklang mit gängigen Bestimmungen gehandelt und eine begrenzte Menge Tränengas eingesetzt, um eine kleine Fläche des Schauplatzes von gewaltbereiten Demonstranten zu befreien. Die Demonstranten haben die Beamten mit Gegenständen beworfen, darunter Steine, Feuerwerkskörper, Farbbeutel und Glasflaschen. Auch haben die Demonstranten öffentliches Eigentum auf dem Landtagsgelände zerstört.«
Neuestes Update, 22.43 Uhr. In Chicago haben mehrere hundert Polizeibeamte ähnlich hart gegen rund tausend Demonstranten durchgegriffen, die sich weigerten, das Gelände des Lincoln Park zu räumen. Laut Berichten der Chicago Tribune wurden mindestens zweihundert Aktivisten verhaftet, die mit der Free Body Liberty Group in Verbindung stehen. Bei der Räumung des Camps wurden geringe Mengen Tränengas eingesetzt.
»Die Stadt betrachtet die Redefreiheit als hohes Gut, das es unbedingt zu verteidigen gilt, doch unsere Verpflichtung gegenüber dem öffentlichen Wohl und der Sicherheit unserer Beamten muss immer Vorrang
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