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Das Inferno Roman

Titel: Das Inferno Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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aufzuhalten?
    Obwohl Barbara rannte, so schnell sie konnte, schien sie dem Jungen nicht näher zu kommen. Der Bürgersteig war der perfekte Fluchtweg für ihn: eben und gerade, völlig frei von Schuttresten.
    Ich kriege ihn nie.
    Sie jagte ihn trotzdem weiter.
    Sie versuchte sich zu erinnern, was sie in ihrer Umhängetasche gehabt hatte - was sie verlieren würde. Sechs oder sieben Dollar, ihren Hausschlüssel und, natürlich, den Schlüssel für den Wagen, den sie vor langer Zeit auf dem Pico Boulevard zurückgelassen hatten, den Fahrschulausweis, ihre Büchereikarte, Bürste und Kamm, ihr Schminkset mit Spiegel, Lippenstift, Taschentücher, ein paar Kaugummis und ein paar Fotos in ihrem Portemonnaie.
    Nichts Gravierendes.
    Bis auf die Bilder. Von Mom und Dad, die vielleicht …
    Diese Schnappschüsse sind vielleicht das Einzige, was mir von ihnen bleibt.
    »Verdammt, du Bastard, bleib stehen.«
    Er blickte über die Schulter zurück und zeigte Barbara sein Grinsen voller weißer Zähne.
    »Gib mir meine Tasche zurück.«
    Er streckte einen Arm nach hinten aus und hob seinen Mittelfinger.
    Ich kriege ihn nie. Es ist sinnlos.
    Torkelnd kam sie zum Stehen. Keuchend begann sie sich die Bluse zuzuknöpfen. Die Haut, die zwischen den
Rändern ihrer Bluse hervorlugte, war so verschwitzt, dass sie wie eingeölt aussah. Ihr BH fühlte sich völlig durchnässt an.
    Sie drehte sich um. Pete kam auf sie zu. Er hatte Heather an der Hand. Es sah aus, als ob er sie zog. Er versuchte sich zu beeilen, wurde aber von ihr zurückgehalten. Offensichtlich hatte es Heather nicht eilig.
    Barbara sah sich wieder nach dem Dieb um.
    Er war fast am Ende des Blocks angekommen und trat immer noch wie verrückt in die Pedale. Die Tasche hing ihm von der Schulter. Plötzlich sprang ein wie ein Banker angezogener Mann hinter einem Baum hervor und stürzte sich auf ihn. Der Junge versuchte auszuweichen. Der Mann schlug ihm mit einem länglichen Stahlstück ins Gesicht - einem Brecheisen oder einem Reifenheber.
    Der Kopf des Jungen schnellte zurück. Er streckte die Arme weit aus. Dann rutschte er rückwärts aus dem Sattel und fiel. Er knallte hinter seinem Rad auf den Bürgersteig. Barbara sah, wie sein Kopf auf den Beton schlug. Sein Rad rollte weiter. Fahrerlos steuerte es auf ein Rasenstück zu.
    Der Mann im grauen Anzug rannte hinter dem Rad her. Kurz bevor es umfiel, schnappte er sich einen Lenkergriff. Er zog das Rad auf den Bürgersteig, richtete es auf, rannte einige Schritte nebenher, stieg dann auf und fuhr davon.
    Niemand schrie ihm hinterher. Niemand kam aus einem Haus gelaufen oder von der Straße oder aus einem wartenden Wagen und versuchte ihn aufzuhalten.
    Vielleicht bin ich die Einzige, die es gesehen hat.
    Wohl kaum. Denen ist es egal. Oder sie haben Angst.
    Der Junge lag ausgestreckt auf dem Bürgersteig.

    Neben ihm lag Barbaras Tasche.
    Der Mann raste am Ende des Blocks um die Ecke und verschwand.
    Barbara drehte sich nach Pete und Heather um. Sie waren nicht viel näher gekommen als zuvor. Sie konnte nicht auf sie warten.
    Sie rannte zu dem Jungen und ihrer Tasche.
    Der Kopf des Jungen lag in einer Blutlache. Der Schlag hatte eine klaffende Wunde über seiner linken Augenbraue hinterlassen. Seine Augen waren geöffnet. Ein Auge starrte geradewegs nach oben, das andere war seitlich nach unten gerichtet, als ob er ängstlich sein Knie beobachtete.
    Er trug hellbraune Hosen. Vorn waren sie nass.
    Wie bei Earls Jeans.
    Er lag ausgestreckt auf dem Bürgersteig wie Earl. Er war ein widerlicher Typ wie Earl, ein Dieb wie Earl, und er hatte einen Schlag gegen den Kopf abgekriegt und in die Hosen gemacht wie Earl. Aber er war viel jünger als Earl - und er war tot.
    Barbara fühlte sich kalt und wie betäubt.
    Sie kniete nieder und hob den Trageriemen ihrer Tasche an. Sie vermied es, den Jungen zu berühren, als sie den Riemen von seiner Schulter zog. Sie stand auf und hängte sich die Tasche so um, dass der Riemen wie ein Patronengurt quer vor ihrer Brust verlief.
    Sie trat einen Schritt beiseite und machte Pete Platz. Er schaute sich die Leiche an. »Oh, Gott.«
    »Wow«, sagte Heather, die wieder Petes Arm ergriffen hatte.
    »Habt ihr das gesehen?«, fragte Barbara. »Habt ihr gesehen, wie der Typ ihn erwischt hat?«

    »Ich habe nicht hingesehen«, sagte Pete.
    »Und außerdem standst du im Weg«, behauptete Heather.
    »Da kam ein Typ angesprungen und schlug ihn ins Gesicht. Total seltsam. Der Typ war richtig gut angezogen. Er

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