Das Inferno
ein.
»Sagen Sie halt.«
»Nur zu.«
Tweed goss weiter und sah dabei Lisa an, die seinen Blick lächelnd erwiderte und einen ihrer nackten Arme lasziv auf der Rückenlehne der Couch ausstreckte. Als kaum mehr Whisky in das Glas passte, zwängte Tweed noch ein paar Eiswürfel hinein und hoffte dabei, dass diese den Scotch ein wenig verdünnen würden.
»Mehr geht nicht«, sagte er, während er das Glas vor sie auf den Couchtisch stellte. »Sonst machen Sie sich noch einen Fleck auf ihr wunderschönes Kleid.«
»Das klingt schon besser. Viel besser. Nehmen Sie auch einen? Ich trinke ungern allein.«
Tweed holte noch ein Glas und goss sich einen Fingerbreit Scotch ein. Lisa klopfte mit der flachen Hand neben sich auf die Couch. Als Tweed nicht reagierte, hob sie die Augenbrauen und wiederholte ihre Einladung.
»Setzen Sie sich doch zu mir.«
Lieber nicht, dachte Tweed. Wenn ich ihr zu nahe komme, kann ich für nichts mehr garantieren. Er nahm in einem Sessel Lisa gegenüber Platz und hob sein Glas.
»Zum Wohlsein!« Er nahm einen Schluck von seinem Scotch.
»Und jetzt sagen Sie mir bitte, wo Sie die vergangenen Stunden über gesteckt haben.«
»Sie haben mich vermisst. Das ist schön.«
»Wo waren Sie?«, knurrte Tweed.
»Ich mag es, wenn Sie so brummig sind.«
Tweed begann zu ahnen, dass es mit Lisa nicht leicht werden würde, und beschloss, ihr nichts vom Mord an Mark Wendover zu sagen. So, wie sie sich gab, hatte sie davon noch nicht erfahren.
»Was macht denn die Polizei unten vor dem Hotel?«, fragte sie.
»Da war wohl ein Verkehrsunfall. Aber jetzt will ich wirklich wissen, wo Sie waren, Lisa.«
»Sie sind heute Abend ohne mich ausgegangen«, sagte Lisa und zog einen Schmollmund. »Und ich hatte schon gehofft, Sie nehmen mich mit zum Essen. Deshalb habe ich auch dieses Kleid angezogen.«
Wieder hatte sich ihre Stimmung verändert, was Tweed nun vollends in seiner Erkenntnis bestätigte, dass er es mit ihr nicht leicht haben würde. Aber entschuldigen würde er sich nicht bei ihr. Auf keinen Fall. Stattdessen sagte er genau das Falsche.
»Es war ein Geschäftsessen. Eine Besprechung…«
»Worüber? Über die heraufziehende Krise?«, fragte sie. »Ich dachte mir eigentlich, Sie würden mich auf dem Laufenden halten. Aber jetzt sieht es so aus, als wollten sie mich bewusst ausgrenzen.« Ihre Stimme klang verärgert. »Geben Sie mir eine Zigarette.«
Tweed reichte ihr das Päckchen. Lisa nahm eine Zigarette, und Tweed zündete sie ihr an. Sie dankte ihm, setzte sich stocksteif hin und nahm einige tiefe Züge, ohne etwas zu sagen, bevor sie dann in den kristallenen Aschenbecher auf dem Tisch abaschte. Auch Tweed schwieg, bis sie die Zigarette ausgedrückt hatte und sich zurück in die Kissen der Couch lehnte. Ihre Brust bebte, was sie dadurch kaschieren wollte, dass sie ihre Arme verschränkte.
»Was für eine Krise?«, fragte Tweed.
»Die ganz große, die uns aus heiterem Himmel treffen wird«, antwortete Lisa. »Die, auf die Sie sich vorbereiten sollten. Aber so, wie ich Sie kenne, haben Sie das längst getan.«
Tweed musste sich konzentrieren, um ihren Worten zu folgen.
Er fragte sich, ob sie abermals ausweichen würde, wenn er sie jetzt zum dritten Mal fragte, wo sie gewesen sei. Lisa schien seine Gedanken erraten zu haben.
»Als mir klar wurde, dass Sie mich nicht zu dem Essen mitnehmen würden, bin ich in die Stadt gegangen. Ach, Sie fragen sich vielleicht, woher ich wusste, dass Sie zu dem Essen gehen würden.« Genau das hatte Tweed sich tatsächlich gefragt.
»Ich habe Newman im Gang gesehen, wo er in einem nagelneuen Anzug mit frischem Hemd und handgearbeiteten Schuhen vor dem großen Spiegel stand, um sich seine Chanel-Krawatte zurechtzurücken. Der geht zu einem vornehmen Dinner, dachte ich mir. Und wieso hat Tweed mir nichts davon erzählt? Na klar, weil ich nicht eingeladen bin.«
»Jetzt wissen Sie ja, weshalb«, sagte Tweed ruhig. »Ich stimme übrigens mit Ihnen überein, dass wir auf eine internationale Krise zusteuern, aber woher wissen Sie das?«
»Das sagt mir mein sechster Sinn«, fauchte Lisa.
»Das ist mir zu wenig.«
»Dem Herrn ist das zu wenig«, sagte Lisa wie zu sich selbst.
»Okay, dann probieren wir es eben mit etwas anderem.« Sie lächelte schief. »Ich bin etwas auf der Reeperbahn herumgezogen. Schauen Sie mich nicht so an, warten Sie lieber, bis ich fertig bin. Ich habe mich von einem Taxi von Kneipe zu Kneipe fahren lassen.«
»In diesem Aufzug?«,
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