Das Inferno
Tweed den Hut genommen hatte, eine alte Trägerschürze, die früher wohl einmal der Müllerin gehört hatte. Kurz entschlossen schlüpfte Paula aus ihrer Jeans und band sich die Schürze um. Tweed schaute noch immer aus dem Fenster.
Die Amerikaner marschierten jetzt geradewegs auf die Eingangstür der Mühle zu. Bevor sie klopfen konnten, trat Tweed nach draußen und fing an, in einer Sprache auf sie einzuplappern, die Paula noch nie gehört hatte. Dabei lächelte er die Besucher freundlich an. Der untersetzte Mann zeigte Tweed einen Ausweis.
»FBI.«
»Was ist das? FBI?«, fragte Paula, die von hinten neben Tweed trat, auf Deutsch.
»Sprechen Sie Englisch, Madam?«, fragte der FBI-Mann.
»Und was für eine Sprache spricht er?« Dabei deutete er auf Tweed.
»Was?« Paula tat verwirrt. »Was du sagen?«
»In welcher Sprache spricht er?« Der FBI-Mann bewegte die Lippen, als ob er sprechen würde, und deutete auf Tweed.
»Aha!«, lächelte Paula. »Sprache. Er sprechen Dänisch.«
»Auch das noch.« Der FBI-Mann trat einen Schritt zurück.
»Kann sein, dass wir schon in Dänemark sind. Die Grenze ist ganz nahe. Das Letzte, was wir jetzt brauchen können, ist ein internationaler Zwischenfall. Nicht jetzt, wo die Sache auf Sylt steigt.«
Er sagte das zu dem großen amerikanischen Zivilisten, der neben ihm stand und Paula mit Blicken förmlich durchbohrte.
Sie konnte die Aggressivität dieses Mannes geradezu körperlich spüren.
»Ich bin trotzdem dafür, die Klitsche hier auf den Kopf zu stellen. Wir müssen dieses Blatt Papier finden.«
»Jau«, sagte Tweed und lächelte treuherzig.
»Du gesehen Stück Papier draußen?«, fragte der FBI-Mann.
»Hat Wind geblasen Stück Papier hierher?«
Tweed ließ einen weiteren Redeschwall los und fuchtelte dabei wild mit den Armen herum. Schließlich zeigte er den Amerikanern mit einem breiten Lächeln seine leeren Handflächen und tat so, als wollte er sie von der Mühle wegschieben.
»Er möchte, dass wir gehen«, sagte der FBI-Mann.
»Das machen wir erst, wenn wir diese Bruchbude auf den Kopf gestellt haben«, erwiderte der CIA-Mann.
Er machte Anstalten, in die Mühle einzudringen. Tweed musste handeln. Er sagte etwas auf Dänisch zu Paula und ging hinein. Paula wusste zwar nicht, was er vorhatte, aber ihr war klar, dass sie die Amerikaner aufhalten musste.
»Er müssen arbeiten. Arbeit. Du verstehen Arbeit?«
»Und ob wir das verstehen, Püppchen«, erwiderte der CIA-Mann grinsend. »Wir arbeiten auch viel, aber wir haben auch gern ein bisschen unseren Spaß. Besonders mit einem Schnuckelchen wie dir.«
Im Inneren der Mühle versuchte sich Tweed daran zu erinnern, wie sein Freund in East Anglia die Windmühlenflügel immer in Bewegung setzte. Er schloss die Augen und zog am erstbesten der drei Hebel neben dem großen hölzernen Rad. Er hatte offenbar den richtigen erwischt, das Rad fing nämlich an, sich ächzend zu drehen. Draußen fuhr der Wind in die Flügel, von denen einer nach unten sauste und den CIA-Mann am Hinterkopf streifte. Der fluchte laut und packte den Flügel, um ihn in seiner Bewegung aufzuhalten, was ihm aber nicht gelang.
Noch bevor er loslassen konnte, trug der Flügel ihn hoch hinauf in die Luft.
Geschieht dir Recht,
dachte Tweed, der alles durch das Fenster beobachtet hatte, und brachte den Hebel, genau als sich der Hügel mit dem verzweifelt zappelnden Amerikaner an seinem höchsten Punkt befand, zurück in seine Ausgangsposition. Das Rad hörte auf, sich zu drehen, und die Hügel standen still. Von draußen hörte Tweed lautes Rufen, in das sich schadenfrohes Gelächter mischte.
Der CIA-Mann klammerte sich verzweifelt an den fast senkrecht stehenden Windmühlenflügel und starrte angsterfüllt nach unten zu den feixenden Soldaten.
»Holt mich runter«, schrie er voller Entsetzen. »Ich kann mich nicht mehr lange halten.«
Tweed starrte zum Windmühlenflügel nach oben und wedelte verärgert mit den Armen herum, als wollte er sagen, dass ein Mensch dort oben nichts zu suchen habe. Dann redete er auf den FBI-Mann ein, der sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte, und stapfte zurück ins Innere der Mühle, wo er den Verriegelungshebel wieder umlegte.
Der Windmühlenflügel bewegte sich in rasanter Fahrt nach unten, wo er den CIA-Mann mit einem dumpfen Geräusch zu Boden warf, um dann mit unverminderter Geschwindigkeit wieder nach oben zu steigen. Keiner der Soldaten rührte einen Finger, sodass sich der Leibwächter, der allen
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