Das Inferno
schilfbestandenen Ufer eines breiten Flusses lag. Tweed und Paula stiegen aus, um nach Zimmern zu fragen.
»Wenn es keine gibt, ist es nicht weit bis zum Tønderhus.«
»Mir gefällt dieses Hotel hier. Es hat Charakter…«
Die Frau am Empfang, die perfekt Englisch sprach, hatte zum Glück noch genügend Zimmer für alle.
»Früher waren wir um diese Jahreszeit ständig ausgebucht, aber jetzt fliegen die Leute nach Thailand oder in die Dominikanische Republik oder weiß Gott wo sonst noch hin in den Urlaub. Möchten Sie etwas essen, nachdem Sie Ihre Zimmer bezogen haben?«
»Ja, bitte«, antwortete Paula. »Ich habe einen Bärenhunger.«
Als auch die anderen im Hotel waren, sagte Lisa zu Tweed, dass sie erst später zum Essen kommen könne. »Ich möchte mich erstmal ausgiebig in die Badewanne legen.«
Paula konnte das gut verstehen. Nach ihrem Erlebnis mit Delgado wollte Lisa bestimmt jeden Quadratzentimeter ihres Körpers abschrubben und sich frische Kleider anziehen. Alle anderen hingegen wollten so bald wie möglich zu Abend essen.
Nachdem sie auf ihre Zimmer gegangen waren und sich frisch gemacht hatten, trafen sich alle im etwas steril wirkenden Speisesaal des Hotels zu einem ausgezeichneten Abendessen, währenddessen niemand ein Wort sagte. Auch Tweed starrte mit ernstem Gesicht auf seinen Teller und hob nur selten den Blick.
Erst als der Kaffee serviert wurde, ergriff er das Wort. »Könnten Sie bitte noch alle mit auf mein Zimmer kommen? Ich habe Ihnen etwas mitzuteilen.«
Auf der Treppe trafen sie Lisa, die gerade nach unten ging.
Sie trug frische Kleider und hatte einen Wäschesack in der Hand.
»Das Essen hier ist wunderbar«, sagte Paula.
»Toll. Ich könnte einen halben Ochsen verschlingen, so hungrig bin ich. Aber der steht bestimmt nicht auf der Speisekarte. Bob, ich habe die Sachen, die ich heute Nachmittag getragen habe, in diesen Sack gesteckt und würde ihn gern irgendwo loswerden.«
»Geben Sie ihn mir. Ich erledige das für Sie.«
In Tweeds Zimmer nahmen manche auf den Stühlen, andere auf der Bettkante Platz. Bevor er zu sprechen begann, schloss Tweed das Fenster.
»Es gibt in diesem Fall drei wichtige Faktoren, die wir nicht aus den Augen lassen dürfen. Der eine ist das Treffen des Elite Clubs auf Sylt. Geheimtreffen wäre vielleicht der richtigere Ausdruck dafür. Wir wissen, dass die Mitglieder des Clubs dort etwas aushecken, um in ihren Ländern Diktaturen einzuführen.
Der zweite Faktor ist die enorme Summe Geldes, die in der Zürcher Kredit Bank in Hamburg verschwunden ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass mit diesem Geld die vielen Terrorgruppen finanziert werden, die unsere westlichen Demokratien in Angst und Schrecken versetzen sollen. Und der dritte Faktor ist das Internet.«
»Was soll denn mit dem Internet sein?«, fragte Newman.
»Jemand hat herausgefunden, wie man es dazu verwenden kann, geheime Codes an die Terrorgruppen zu übermitteln.
Wahrscheinlich werden sie damit instruiert, wo und wann sie zuschlagen sollen.«
»Aber dagegen kann man wohl schlecht etwas unternehmen«, sagte Nield.
»Wir werden sehen. Es gibt übrigens noch einen vierten Faktor. Rhinozeros. Wer ist er? Wie passt er in unser Bild hinein? Und ist es möglich, dass er der fünfte Mann ist?«
»Ich kann mir nicht vorstellen, wie das alles zusammenpassen soll«, sagte Nield.
»Keine Sorge, am Ende wird es das. Aber jetzt möchte ich Ihnen vorlesen, was auf dem Blatt steht, das Gavin Thunder davongeweht ist. Es ist glasklar und sehr methodisch strukturiert, leider ist Thunder ja nun mal ein brillanter Kopf.«
Tweed nahm das Blatt aus seiner Tasche und faltete es auf.
»›Punkt eins: Um diktatorische Regierungen in unseren Ländern durchzusetzen, müssen wir ein Chaos von solchen Ausmaßen erzeugen, dass die Bürger jedes politische System akzeptieren, wenn es ihnen nur Ruhe und Ordnung bringt.
Dafür, dass ein solches Chaos demnächst überall ausbricht, ist gesorgt. Punkt zwei: Jedes unserer Länder wird in großräumige militärische Bezirke aufgeteilt, denen jeweils ein starker Gouverneur vorsteht. Drittens: Jegliche Opposition muss umgehend und rücksichtslos unterdrückt werden. Dazu werden spezielle Gefängnisse auf einsamen Inseln eingerichtet. In England wird über Nacht ein Ermächtigungsgesetz vorgelegt, das der Regierung weitgehende Befugnisse einräumt. Die Militärgouverneure der sechs Bezirke unterstehen einem Generalgouverneur. Dieser wird Brigadegeneral Lord Bernard
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