Das Inferno
davon keine Linderung der Hitze. Es ist ein Südwind und daher sehr warm.«
»Wie tröstlich. Aber sagen Sie mir doch bitte, wo wir jetzt hinfahren?«
»Wir versuchen, so nahe wie nur irgend möglich an die Insel Sylt heranzukommen. Sie liegt in der Nordsee und ist die letzte der friesischen Inseln. Nördlich davon ist Dänemark.«
»Und warum wollen Sie nach Sylt?«
»Weil ich wissen will, ob dort wirklich Vorbereitungen für ein Treffen wichtiger Staatsmänner laufen.«
»Sie meinen wohl Politiker«, sagte Newman, der hinter dem Steuer der blauen Limousine saß. »Staatsmänner gibt es heutzutage keine mehr.«
»Eins zu null für Sie, Bob. Wir sind jetzt auf der B199, aber gleich biegen wir auf kleine Nebenstraßen ab. Ich sage Ihnen, wo Sie hinfahren müssen.«
Paula schaute hinaus in die sonnenverbrannte Landschaft, die jetzt nicht mehr flach wie ein Brett war, sondern hügelig und abwechslungsreicher wurde. Wieder war die Straße wie ausgestorben, und Paula genoss die friedliche, ruhige Atmosphäre, die über allem lag. Tweed drehte sich nach hinten zu Lisa.
»Sieht so aus, als würde es Ihnen jetzt wieder besser gehen.«
»Soll ich ihm sagen, wieso?«, sagte Paula kichernd.
»Nur zu«, sagte Lisa. »Es war lustig.«
»Wir sind in ein Restaurant in der Großen Straße gegangen und haben uns einen Kaffee bestellt«, sagte Paula. »Lisa hat sich nach dem Erlebnis mit Delgado furchtbar schmutzig gefühlt, deshalb habe ich ihr vorgeschlagen, so zu tun, als ob ihr schlecht wäre, und sich von mir zur Toilette bringen zu lassen. Dort habe ich mich vor die Tür gestellt und niemanden hineingelassen, während sich Lisa drinnen von Kopf bis Fuß gewaschen hat.
Natürlich kam eine ziemlich bissig aussehende ältere Dame, die unbedingt in die Toilette wollte und sogar versucht hat, mich mit Gewalt beiseite zu drängen. Aber ich habe dem Ansturm standgehalten und ihr auf Deutsch erklärt, dass die Toilette kaputt sei und sie sich etwas anderes suchen müsse. Sie hat geflucht wie ein Fuhrknecht und ist dann wutentbrannt abgezogen.«
»In der Zwischenzeit habe ich mich komplett ausgezogen und mich mit kaltem Wasser gewaschen«, sagte Lisa. »Danach habe ich mich wie neu geboren gefühlt, obwohl ich natürlich wieder meine verschwitzten Klamotten anziehen musste.«
»Das mit der Toilette war eine gute Idee«, sagte Tweed.
»Ach, da war noch etwas«, sagte Paula mit ernster Stimme.
»Als wir wieder im Restaurant waren, habe ich draußen vor dem Fenster einen alten Bekannten gesehen. Sie werden mir nicht glauben, wer es war.«
»Probieren Sie’s aus…«
»Zuerst habe ich ihn gar nicht erkannt, aber dann hat sein Gang ihn verraten.«
»Jetzt sagen Sie schon, wer es war«, sagte der zur Verzweiflung gebrachte Tweed.
»Unser Lord. Ex-General Lord Bernard Barford.«
»Was um alles in der Welt ist dieses riesige Ding da draußen im Meer«, fragte Paula, als sie an die Küste kamen, wo ein langer Damm hinaus ins Wattenmeer führte. Davor, noch an Land, stand ein Zug.
»Das«, sagte Tweed, »ist der berühmte Hindenburgdamm, über den die Eisenbahn nach Sylt fährt. Es ist der einzige Zugang zur Insel. Sieht so aus, als ob der Zug auf jemanden warten würde. Höchst seltsam.«
»Ich glaube, ich höre ein Flugzeug«, sagte Lisa. »Es kann aber auch ein Hubschrauber sein.«
»Bob«, rief Tweed nach vorn. »Biegen Sie da vorn rechts ab.«
Newman trat auf die Bremse und steuerte die lange Limousine mit quietschenden Reifen um eine enge Kurve auf einen schmalen, von Hecken eingefassten Feldweg, der einen bewaldeten Hügel hinaufführte. Auf einem etwas höheren Hügel daneben war eine Windmühle, deren Hügel stillstanden.
»Fahren Sie weiter«, sagte Tweed.
»Wohin denn?«, rief Newman nach hinten.
»Nach rechts.«
Ein schmaler Weg führte hinüber auf den Hügel mit der Windmühle, neben der eine Gruppe von Bäumen stand.
»Halten Sie unter den Bäumen an«, sagte Tweed.
»Wird gemacht.« Newman fuhr den unbefestigten Weg bis zum Ende und wendete den Wagen, sodass die Kühlerhaube in die Richtung zeigte, aus der sie gekommen waren. Alle konnten nun das Geräusch eines großen Hubschraubers hören, der gerade zur Landung ansetzte. Tweed schnappte sich sein Fernglas und sprang aus dem Wagen. Paula nahm ihre Kamera und folgte ihm.
Draußen waren sie unter den Bäumen gut getarnt, hatten aber dennoch einen freien Blick hinunter auf den bewaldeten Hügel gegenüber. Paula blickte durch ihr eigenes Fernglas und
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