Das Inferno
Untersuchung des Falles betraut bin?«, fragte Tweed scharf.
»Natürlich sind Sie das, Tweed. Ich weiß, dass es ungewöhnlich ist, und manche Leute würden es wohl sogar als irregulär bezeichnen. Aber jetzt, wo wir wissen, dass es ein Mord war, tun sich vielleicht politische Implikationen auf. Sie sollten wissen, dass Jeremy ein technisches Genie war.« Er hielt inne. »Ich muss Sie bitten, dass das, was ich Ihnen jetzt erzähle, unter uns bleibt. Ein paar Tage bevor Jeremy nach Alfriston gefahren ist, hat er eine Wanze in meinem Büro entdeckt.«
»In einem Raum, in dem Sie vertrauliche Dinge erörtert haben?«
»Natürlich. Schließlich habe ich mich dort sicher gefühlt.
Jeremy hat sofort sämtliche Abhöreinrichtungen entfernt, und ich habe mich entschlossen, niemandem davon zu erzählen.«
»Warum das?«
»Weil ich nicht mehr wusste, wem ich überhaupt noch trauen konnte.«
»Gilt das auch für die anderen Kabinettsmitglieder?«
»Wenn Sie gestatten, würde ich diese Frage lieber nicht beantworten. Tja, bisher habe ja nur ich geredet. Ich könnte mir vorstellen, dass auch Sie ein paar Fragen an mich haben.«
»In der Tat. Wissen Sie zum Beispiel, warum Jeremy Mordaunt nach Alfriston gefahren ist? Wollte er sich dort mit jemandem treffen?«
»Darüber weiß ich leider überhaupt nichts. Ich habe ihn immer an der langen Leine gelassen, Jeremy war nämlich ein intelligenter Kopf, der mir manche Dinge erst dann berichtet hat, nachdem er ihnen wirklich auf den Grund gegangen war. Aber ich habe meine eigenen Nachforschungen angestellt.«
»Worüber?«
»Darüber, wer in der Nähe von Alfriston wohnt. Ganz diskret natürlich. Bis jetzt weiß ich allerdings bloß von Lord Barford, aber der ist ja im Ruhestand, seit er seinen Job bei der Special Branch an den Nagel gehängt hat.«
»So sieht es zumindest aus.«
»Ach ja, da ist noch etwas.« Thunder warf einen Blick auf seine Rolex. »Ich muss leider ziemlich bald gehen, weil wir gleich eine Kabinettssitzung haben.« Er lächelte Paula an. »Sie hätten nicht zufällig Lust, mich zu begleiten? Dann würde ich mich dort nicht so unerträglich langweilen wie sonst.«
»Ich glaube nicht, dass ich in diesem erlauchten Kreis willkommen wäre«, gab Paula ebenfalls lächelnd zurück.
»Gibt es sonst noch etwas, was Sie mir sagen wollten?«, fragte Tweed.
»Ja. Ich würde es sehr schätzen, wenn Sie sich bei den Untersuchungen mit Chief Inspector Roy Buchanan zusammentäten. Damit hätte die Situation einen etwas offizielleren Anstrich.«
»Das hatte ich ohnehin vor.«
Die drei verließen die Bibliothek und traten, nachdem Thunder sich seinen Mantel hatte aushändigen lassen, hinaus auf die Straße. Sofort fuhr eine große Limousine heran und kam vor ihnen zum Stehen. Thunder fluchte leise vor sich hin, wofür er sich aber sofort bei Paula entschuldigte.
»Ich habe ausdrücklich verlangt, dass ein normaler Wagen geschickt wird, ich hasse nämlich diesen ganzen Pomp. So, jetzt muss ich mich wohl von Ihnen verabschieden. Vielen Dank, dass Sie mir Ihre wertvolle Zeit geopfert haben. War schön, mit Ihnen zu plaudern.« Als der Chauffeur mit einer übertriebenen Geste den Wagenschlag für ihn aufriss, fügte er im Flüsterton noch an: »Viel schöner als das, was mich jetzt gleich in der Downing Street erwartet…«
Nachdem sich die Limousine in Bewegung gesetzt hatte, sagte Tweed zu Paula: »Sie müssen langsam an Ihr Essen mit Aubrey Barford denken. Haben wir denn noch Zeit für einen kleinen Spaziergang die St. James’s Street hinauf, bevor wir Ihnen ein Taxi suchen?«
»Aber sicher doch.« Die beiden gingen los. »Ehrlich gesagt, Thunder hat mich überrascht. Ich dachte, er würde uns eine Standpauke halten.«
»Was er übrigens ausgezeichnet beherrscht, wie ich mir habe sagen lassen. Wenn beispielsweise ein Untergebener begriffsstutzig ist oder einmal etwas vergisst. Außerdem macht Thunder seinem Namen alle Ehre, wenn er vor dem Unterhaus seine donnernden Reden hält, was eine seiner größten Stärken sein soll. Man munkelt sogar, dass es im Kabinett Bestrebungen gibt, den Premierminister zum Rücktritt zu bewegen, um Thunder auf dessen Posten zu hieven.«
»Was halten Sie denn von den Wanzen, die Mordaunt in Thunders Büro gefunden haben soll?«
»Eine hübsche Geschichte, aber mehr auch nicht…«
5
Etwa zur selben Zeit, als Tweed und Paula den Club von Gavin Thunder betraten, landete auf dem Flughafen Heathrow ein Hubschrauber und ließ zwei
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