Das Inferno
Passagiere aussteigen. Beide waren Männer Mitte vierzig und etwa gleich groß. Aber damit war es mit den Gemeinsamkeiten auch schon wieder vorbei.
Einer der Männer war athletisch gebaut und hatte blondes Haar, das in der gerade hinter den Wolken hervorgekommenen Sonne golden schimmerte. Er trug einen Armani-Anzug, Schuhe von Gucci, eine Chanel-Krawatte und einen teuren Aktenkoffer und bestieg einen Kleinbus, der kurz nach der Landung des Hubschraubers aufs Rollfeld hinausgefahren war.
Der Bus brachte den Mann zu einem Privatjet, der gleich darauf die Turbinen startete. Eine hübsche Stewardess brachte dem Mann ein Glas Champagner, und während er sich behaglich in seinem Sessel zurücklehnte, gab der Pilot vollen Schub und hob ab.
Nach nicht einmal einer Stunde landete das Flugzeug auf dem Amsterdamer Flughafen Schiphol, wo der Passagier von einer schwarzen Limousine abgeholt wurde. Der Chauffeur fuhr ihn zum besten Hotel der Stadt und übergab, während der Passagier zur Rezeption ging, den Aktenkoffer einem livrierten Hoteldiener.
Der Mann, der sich als Victor Rondel eintrug, begab sich auf seine Suite, wo er zufrieden feststellte, dass dort bereits ein Eiskübel mit einer Flasche Champagner auf ihn wartete. Dann ging er ins Badezimmer, verriegelte die Tür und nahm die blonde Perücke ab, unter der dichtes, schwarzes Haar zum Vorschein kam. Er beschloss, erstmal ein kurzes Nickerchen zu machen, um später dann im Hotelrestaurant zu Abend zu essen.
Nach Einbruch der Dunkelheit würde er schließlich das Hotel verlassen und durch eine bestimmte Straße schlendern, für die Amsterdam berühmt war. Unter den hübschen und sehr leicht bekleideten Mädchen, die dort in Schaufenstern auf zahlungskräftige Kunden warteten, würde er sich in aller Ruhe eine aussuchen, mit der er die Nacht verbringen wollte.
Der zweite Passagier, der in Heathrow aus dem Hubschrauber gestiegen war, trug ein Barett, einen dunklen Mantel und hatte ebenfalls einen Aktenkoffer bei sich, der aber bei weitem nicht so schick und teuer war wie der von Victor Rondel. Als der Kleinbus vom Privatjet zurückkam, ließ er sich von ihm zum Abflugterminal fahren. Dort zeigte er seinen Pass, der auf den Namen Rene Pinaud lautete, und kam gerade noch rechtzeitig zu seinem Anschlussflug in der Touristenklasse einer ganz normalen Linienmaschine.
Auf dem fünfzigminütigen Flug blickte er mehrmals gelangweilt aus dem Fenster, konnte aber nichts als ein dichtes, weißes Wolkenmeer erkennen. Die angebotenen Erfrischungen lehnte er ab, und als das Flugzeug gelandet war, stieg er als einer der Ersten aus. Auf dem Rollfeld wartete bereits ein Wagen auf ihn, der ihn zu dem Teil des Flugplatzes brachte, der für Privatflugzeuge reserviert war. Der Mann bestieg einen zwölfsitzigen Gulfstream-Jet und ließ sich in dessen luxuriös ausgestatteter Kabine mit einem Seufzer der Erleichterung in einen ledergepolsterten Lehnsessel sinken. Ein weiß uniformierter Steward trat auf ihn zu.
»Wünschen Sie etwas zu trinken?«, fragte er auf Deutsch.
»Einen Brandy bitte«, antwortete der Mann in derselben Sprache. »Und eine Flasche Mineralwasser. Ich bin von dem Flug hierher richtiggehend ausgetrocknet.«
Als der Steward zurückkam, hatte sein Passagier das Barett abgenommen, das er zuvor, tief ins Gesicht gezogen, getragen hatte. Er nahm einen Spiegel aus der Tasche und kämmte sich seine blonden Haare.
»Möchten Sie auch etwas essen?«
»Nein, danke, Hans. Ich bin heute noch zum Abendessen eingeladen…«
Der Mann blickte aus dem Fenster und sah abermals nichts als die von der Sonne beschienene Wolkendecke. Nachdem der Steward die Kabine verlassen hatte, nahm er ein spezielles Mobiltelefon aus der Tasche, das nicht abgehört werden konnte und das man auch an Bord eines Flugzeugs benutzen durfte. Er tippte eine Nummer ein, und kurz darauf meldete sich am anderen Ende eine Stimme auf Deutsch. »Ja?«
»Hier spricht Rondel. Ich werde in einer halben Stunde landen. Die Situation spitzt sich gefährlich zu. Sie sammeln sich bedrohlich und…«
»Es wäre mir lieb, Sie würden mir das alles nach der Landung erzählen…«
Rondel hörte ein Klicken in der Leitung. Sein Gesprächspartner hatte einfach aufgelegt. Die Stimme war wie immer autoritär, aber in keiner Weise arrogant gewesen. Sein Gesprächspartner hatte langsam gesprochen und jedes Wort klar artikuliert. Es war die Stimme eines bemerkenswerten Gehirns.
Als sie über Travemünde waren, riss die
Weitere Kostenlose Bücher