Das Inferno
Schrotflinte. Die ist zwar illegal, aber wenn Delgado reinkommt und mich mit seinem Messer bedroht, ist mir das egal. Aber jetzt sollten wir wieder zurückgehen, damit Millie den Laden nicht ganz allein schmeißen muss.«
»Hat Bert alles aufgelistet, wo Delgado und seine Leute hier und im Westend waren?«
»Natürlich.«
»Kann ich mir eine Kopie machen?«
»Klar doch. Ich lasse mir die Liste gleich von Bert geben. Ich verstehe zwar nicht, wozu du die brauchst, aber du wirst schon wissen, was du willst. Bist halt ein gescheites Mädchen…«
Hinter der Bar schrieb sich Lisa Berts Liste ab und rief dann noch einmal bei Tweed an. Dieselbe freundliche Frau wie beim ersten Mal sagte ihr, dass ihr Chef noch immer nicht da sei und fragte, ob er sie nicht zurückrufen könne.
»Nein, danke, ich rufe später noch einmal an…«
Tweed und Paula betraten den Club Marlows, der inmitten der anderen, viel bekannteren Clubs in der Fall Mall lag. Tweed fragte gerade den Portier, ob Mr. Gavin Thunder schon da sei, als ein durchtrainiert aussehender Mann in einem eleganten grauen Maßanzug in der Lobby erschien. Paula schätzte ihn nicht größer als einen Meter fünfundsechzig, aber trotz seiner geringen Körpergröße schien er vor Energie nur so zu strotzen.
»Herzlich willkommen«, sagte er und streckte Tweed lächelnd die Hand hin. »Wir beide haben uns ja eine Ewigkeit lang nicht mehr gesehen. Und das muss Ihre hypereffiziente Assistentin Paula Grey sein, von der ich schon so viel Gutes gehört habe. Eine äußerst attraktive junge Dame, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten.«
»Danke für die Blumen«, sagte Paula lächelnd, während sie Thunders angenehm fest wirkende Hand drückte. »Ich weiß zwar nicht, ob ich wirklich so effizient bin, wie Sie behaupten, aber ich tue mein Bestes.«
»Und das mit großem Erfolg, wie ich mir von mehreren Leuten habe sagen lassen. Wollen wir es uns in der Bibliothek bequem machen? Da haben wir die nötige Ruhe, um uns unterhalten zu können. Gestatten Sie, dass ich vorausgehe…«
Thunder war genau so, wie Paula ihn sich vorgestellt hatte.
Mitte vierzig, mit dunkelbraunem Haar, hoher Stirn, einer herrischen Nase und einem starken Mund. Er ging mit raschen, federnden Schritten und hatte eine freundliche Ausstrahlung, die seine Gegenwart angenehm und wohltuend erscheinen ließ. Sein hervorstechendstes Merkmal waren seine intensiv blauen Augen, aus denen er einen direkt und offen anblickte.
Tweed und Paula folgten ihm in einen Raum, in dem an allen Wänden bis zur Decke reichende Bücherregale standen und in dem sich derzeit bis auf einen Kellner niemand aufhielt.
Thunder führte seine Gäste zu einem kleinen Tisch, um den herum bequeme Sessel standen.
»Kaffee?«, fragte er und nickte dem Kellner zu. Dann beugte er sich vor, faltete die Hände in seinem Schoß und betrachtete nacheinander Tweed und Paula.
»Ich habe Ihre Berichte aufmerksam gelesen, Tweed. Und zwar beide.« Er sprach schnell, wie ein Mann mit einem schnellen Verstand. »Seither bin auch ich davon überzeugt, dass der arme Jeremy Mordaunt ermordet wurde.«
»So ist es«, erwiderte Tweed knapp.
»Ehrlich gesagt, ich mache mir Sorgen wegen der offiziellen Leichenbeschau«, fuhr Thunder fort, als er merkte, dass Tweed nichts weiter sagen wollte. »Die wird ja sicherlich in Eastbourne stattfinden, was wenigstens dafür sorgen dürfte, dass nicht allzu viel Presse anwesend ist. Die Regierung kann jetzt keinen weiteren Skandal gebrauchen.«
Thunder verstummte, weil der Kellner den Kaffee brachte.
Erst nachdem der Mann wieder gegangen war, fuhr er fort.
»Wissen Sie was? Nennen Sie mich doch einfach Gavin. Und darf ich Paula zu Ihnen sagen? Vielen Dank. Ich bin es Leid, ständig mit ›Herr Minister‹ angesprochen zu werden.« Er lächelte. »Wenn ich das höre, komme ich mir immer wie bei einem Staatsakt vor.«
Paula kicherte, und Thunder machte eine Handbewegung, die wohl bedeuten sollte: So ist es nun mal. Dann setzte er wieder eine ernste Miene auf und wandte sich an Tweed.
»Dürfte ich Ihnen eine persönliche Frage stellen? Ich würde es durchaus verstehen, wenn Sie mir darauf nicht antworten wollen.« Er beugte sich vertraulich vor. »Werden Sie dem Leichenbeschauer in Eastbourne sagen, dass Sie in dem Fall noch weiter ermitteln und deshalb eine Vertagung beantragen?«
»Genau das habe ich vor.«
»Danke für die offene Antwort.«
»Darf ich daraus schließen, dass ich nach wie vor mit der
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