Das Insekt
sieht Ihr Potenzial nicht.«
»Um ehrlich zu sein: Ich glaube, mein Mann sieht mich überhaupt nicht.«
»Und mit den Kindern gibt es nur Ärger.«
»Kind. Wir haben nur eins. Ray ist siebzehn. Aber was kann man von dem Alter erwarten. Es ist schwierig, erwachsen zu werden.«
»Also, was werden Sie unternehmen?«
»Unternehmen? Was denken Sie denn? Ich werde morgen nach Hause gehen, so wie immer.«
»Und wenn ich sagen würde: Tun Sie’s nicht.«
»Ich muss, Phil. Was soll ich denn sonst tun?«
»Bleiben Sie bei mir. Wenigstens diese Woche. Wir könnten segeln gehen vor Catalina Island, wir spazieren am Strand, essen Hummer und trinken Champagner.«
Bonnie schüttelte lächelnd den Kopf.
»Hören Sie, Bonnie«, sagte er, »viele halten mich für eine Art Casanova, der Frauen abschleppt, mit ihnen schläft, sie wegwirft und sich die Nächste holt. Aber das ist es nicht. Ich ertrage das Leid von Frauen nicht, die nie zu sich selbst finden. Ihre Ehemänner gewähren diesen Frauen keine Freiheit, weil sie ihnen dienen sollen. Ihre Chefs gewähren diesen Frauen keine Freiheit, weil sie dann vielleicht fordern würden, was ihnen zusteht. Und so geht es jahrein, jahraus. Bis sie eines Tages erkennen müssen, dass das Leben an ihnen vorbeigegangen ist und Spuren hinterlassen hat. Nur der Lebensabend wartet noch auf sie. Ich nenne so ein Leben Gefängnis – lebenslänglich.
Ich habe meinen Spaß daran, diesen Frauen Bewährung zu geben. Es macht mir Spaß, ihnen zu zeigen, wie interessant und attraktiv sie sind. Manchmal haben wir Sex, manchmal nicht. Das ist nicht so wichtig. Wichtig ist, die Zellentür ihres bisherigen Lebens weit aufzureißen und hineinzuschreien: Komm raus! Lass uns spielen, lass uns leben, ohne Zügel, ohne Verantwortung, ohne Beschränkung. Komm lass uns tanzen und die Luft der Freiheit atmen!«
Bonnie leerte ihr Champagnerglas. Dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen und gab Phil einen Kuss auf die Backe. »Darf ich mal was sagen?«
»Natürlich. Sie sind ein freier Mensch, auch wenn Sie’s nicht glauben.«
»Keine Zügel, keine Verantwortung, keine Beschränkung?«
»Keine.«
»Das, was Sie da gerade gesagt haben… dass Sie mir Bewährung geben wollen und so… also ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so gönnerhafte Scheiße gehört.«
Sie sagte das mit einem so süßen Lächeln, dass er für volle drei Sekunden die Bedeutung ihrer Worte nicht verstand. Dann erst begann es, in seinem Gesicht zu arbeiten. Ganz offenbar kämpfte er mit sich und suchte nach einer möglichst würdevollen Erwiderung.
»Sie halten das für gönnerhafte Scheiße?«, sagte er schließlich. Er hatte sich unter Kontrolle, aber in seiner Stimme lag eine neue Schärfe.
»Wenn Sie mich fragen, ja. Und das sage ich als Frau, die jeden Tag den ganzen Tag mit Männern zu tun hat.«
»Wir werden in dem Fall wohl nicht die Nacht zusammen verbringen?«
»Halte ich für sehr unwahrscheinlich.«
»Verstehe. So unwahrscheinlich wie die Aussicht auf nur eine einzige Bestellung bei Glamorex?«
»Soll das eine Drohung sein?«
»Nein, Schätzchen. Das sollten Sie aber besser wissen. Das ist keine Drohung, sondern nur gönnerhafte Scheiße.«
Als Bonnie in die Hotelbar kam, schüttete Ralph gerade Whisky Sours in sich hinein. Sie setzte sich auf den Hocker neben ihm und bestellte beim Barmann einen Spritzer. Eigentlich war ihr mehr nach einem Bier zumute, aber sie hatte sich vorgenommen, auf ihre Figur zu achten.
»Heute feiern wir«, verkündete Ralph und hob sein Glas. »Heute Nachmittag haben wir mehr Bestellungen reingekriegt als in den ganzen letzten sechs Monaten zusammen. Und das haben wir vor allem dir zu verdanken!«
»Ralph…«
»Keine falsche Bescheidenheit. Das hast du toll gemacht. Phil Cafagna hat dir ja praktisch aus der Hand gefressen. Wie konnte ich nur je auf den Gedanken kommen, dich zu feuern? Aber du hast mir schon vergeben, oder?«
»Ralph, es gibt nichts, was ich dir vergeben müsste.«
»Von wegen. Wenn ich ehrlich sein soll, Bonnie, war ich eifersüchtig. Ja, eifersüchtig, weil ich dich nach Pasadena mitnehmen wollte und du nicht konntest wegen deinem Sohn und deinem Mann. Ja, ich gebe es zu.«
»Du hast gar keinen Grund zur Eifersucht, Ralph.«
»Hab ich doch.« Er beugte sich zu ihr vor und schaute ihr in die Augen, als wolle er ganz sichergehen, dass er die Richtige vor sich hatte. »Ich liebe dich, Bonnie. Darum geht es. Ich liebe dich, seit ich dich das erste Mal
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