Das Intercom-Komplott
schweigt sich darüber natürlich aus, aber es ist doch möglich, einige Schlußfolgerungen zu ziehen. Kein Bankier vom Ansehen und Können eines Dr. Schwob würde im Auftrag eines Kunden verhandeln, den er nicht gut kennt und dessen Seriosität er bezweifelt. Andererseits ist aber auch nicht anzunehmen, daß er sich von jemandem mißbrauchen ließ, von dem bekannt war, daß er mit einem ausländischen Nachrichtendienst zusammenarbeitete. Er mußte deshalb glaubhaft machen können, daß ihn handfeste geschäftliche Motive dazu veranlaßten, Intercom aus der Welt zu schaffen. Man muß also schließen, daß nur eine Firma, die auf dem gleichen Sektor wie Blochs angebliche Geschäftsfreunde arbeitete, solche Gründe überzeugend hätte vorbringen können. Die Vermutung, daß hier eine große Firma eingeschaltet worden war, wird dadurch verstärkt, daß der Bankier sagte, man solle ›vorsichtig‹ sein, als er Blochs Forderungen erfuhr. In diesem Hinweis liegt versteckt eine gewisse Drohung. Männer wie Dr. Schwob drohen nicht mit Gewalt, aber es ist durchaus üblich, daß sie allzu Übermütige in ihre Schranken weisen und Abenteurer daran erinnern, daß mächtige Firmen die Mittel haben, Widerspenstige zu strafen. Die Anweisung an Dr. Bruchner, die Abonnentenliste von Intercom unter Verschluß zu nehmen, deutet an, was Dr. Schwobs Kunden im Auge hatten. Intercom sollte sterben und tot bleiben. Eine Auferstehung unter anderem Namen sollte verhindert werden.
Es gibt eine ganze Reihe von Firmen mit Sitz in der Schweiz – die Aktienmehrheit liegt zum größten Teil bei ausländischen Unternehmern –, die weitgehend von Rüstungsaufträgen leben. Ein Teil von ihnen arbeitet hauptsächlich mit NATO-Ländern zusammen, andere hingegen – Maschinenbaufirmen und chemische Fabriken – arbeiten für die Sowjetunion, Ostdeutschland, Rumänien oder Ungarn. Und jede von ihnen hätte als Käufer in Frage kommen können. Die Weigerung der schweizerischen Spionageabwehr, in dieser Frage Antwort zu erteilen, wurde übrigens von der westdeutschen Presse heftig kritisiert.
Aber auch in der Schweiz selbst und in einigen NATO-Stäben wurde Kritik laut. So behauptete man, daß die ganze Intercom -Transaktion gestoppt und die Identität des Arnold Bloch ermittelt hätte werden können, wenn die Behörden energischer vorgegangen wären. Theodore Carter wurde von der Spionageabwehr am Dienstag, dem 20. Dezember, zum erstenmal verhört und am Mittwoch verhaftet. Das Intercom -Büro wurde am selben Tag durchsucht. Und warum, so fragten die Kritiker, hatte man Dr. Bruchner nicht mitgeteilt, daß gegen Intercom ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden war? Zu diesem Zeitpunkt stand er mit Bloch in brieflichem und telegrafischem Kontakt. Wie kam es, daß man seine Brüsseler Postlageradresse nicht früher ausfindig machte und die belgischen Behörden bat, den Benutzer zu identifizieren?
Diese Vorwürfe lassen auf mangelnde Informiertheit oder bösen Willen schließen. Man muß daran erinnern, daß die Spionageabwehr die Verletzung eines schweizerischen Gesetzes zum Schutz der schweizerischen Neutralität auf dem Boden der Schweiz vermutete. Ihr ging es zunächst einmal um Carter und jene nebulosen Figuren, von denen er behauptet hatte, sie hätten ihn in Bedrängnis gebracht. Schauplatz der Handlung war Genf. Bloch war nicht innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs. Die Herren Schwob und Bruchner hatten nicht gegen die Gesetze verstoßen, und kein Gerichtshof hätte die Aktientransaktion stoppen können. Carter besaß zwar die Brüsseler Adresse, das stimmt, aber in der Verwirrung hatte er überhaupt nicht mehr daran gedacht.
An jenem Abend, als er in seinem Büro überfallen worden war, hatte er das Telegramm Bruchners, in dem er über Blochs Adresse unterrichtet werden sollte, in seine Manteltasche gesteckt, und als er sich wenige Minuten später übergeben mußte, wurde der Mantel beschmutzt. Als er am Montag aus der Klinik entlassen wurde, übergab man ihm seine Kleider, doch sobald er zu Hause angekommen war, brachte seine Tochter Mantel und Anzug in die Reinigung. So kam es, daß das Telegramm erst am Freitag zusammen mit dem Mantel wieder zurückkam. Miß Carter übergab es sofort den Behörden, aber zu diesem Zeitpunkt war es schon zu spät. Bloch hatte sich in Luft aufgelöst, und die zwei Millionen Franken waren unterwegs in den Libanon. Das Weihnachtsgeschenk lag sicher unter dem Baum.
Wer aber war der Weihnachtsmann?
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