Das Internat
Möglichkeiten ungenutzt vorübergingen. Es fühlte sich an, als sei Cross aus dem Nichts erschienen, ein eingeschworener Feind, der Mann, der dazu geboren war, ihr das Leben schwer zu machen. Aber so war es nicht immer gewesen. Was war mit dem süßen, sexy Jimmy Broud passiert, dem Jungen, der dazu geboren war, sie zu erwecken? Sie hatte sich durch die Schulzeit geträumt und sich dabei immer nach dem schüchternen Lieferjungen gesehnt. Lächerlich, aber es war so gewesen.
Er hätte sie als Erster küssen sollen, sie als Erster verstohlen streicheln; und er hätte derjenige sein sollen, dem sie in einer dunklen Nacht im Kiefernwald mit heimlichen Seufzern ihr Herz geschenkt hätte. Jetzt musste Mattie sich fragen, ob dieser Junge jemals existiert hatte. Zwar trauerte sie all diesen Möglichkeiten nach. Doch was, wenn sie gar nicht existiert hatten?
Als Mattie sich dem Eingang der Rowe-Akademie näherte, nahm sie den Fuß vom Gaspedal und lenkte den Wagen in die Einfahrt. Das Auto hinter ihr folgte. Mattie konnte die Scheinwerfer sehen. Der Fisch schluckt den Köder, dachte sie.
Mattie kannte den Campus besser als er. Sie zählte auf diesen Vorteil, als sie ihn auf ein aussichtsloses Rennen durch das Labyrinth von Straßen, Pfaden und Tunneln schickte: durch die Rowe-Akademie. Um sicherzustellen, dass er ihr folgte, ging Mattie langsam. Als sie ihn ins Herz des Labyrinths geführt hatte, entwischte sie durch einen Tunnel und lief schräg über den Campus zu ihrem Ausgangspunkt.
Das Ziel war, ihn loszuwerden, und das hatte sie geschafft. Sie machte sich keine Sorgen darüber, dass er sie einholen könnte. Wenn er keinen Haken schlug, gab es nur einen Weg hinaus, und dort würde sie warten. Mattie saß in ihrem Mietwagen und versperrte den Ausgang, als die Lichter seines Autos erschienen. Sie ließ den Motor an. Wenn er ihr in die Seite fahren wollte, könnte sie schnell aus dem kleinen Kompaktwagen springen. Doch Mattie bezweifelte, dass er das tun würde. Er würde nicht riskieren, sie zu töten. Er wollte, dass sie in einem Zustand war, in dem sie gestehen konnte.
Außerdem hatte sie keine Angst vor ihm. Es war an der Zeit, dass er das begriff.
Der andere Wagen hielt zehn Meter entfernt an, seine Scheinwerfer auf ihr Auto gerichtet. Mattie blickte direkt auf seine Windschutzscheibe und fragte sich, ob er sie sehen konnte. Offenbar wollte der Feigling nicht aussteigen. Aber was hatte sie von einem Mann erwartet, der sich benahm wie ein Stalker?
Minuten vergingen. Glücklicherweise war es spät am Abend, und außerdem waren gerade Sommerferien, sodass der Campus wirklich verlassen war. Um eine Reaktion zu provozieren, blickte Mattie den Mann starr an und zeigte ihm den Mittelfinger. Auch als sie auf die Hupe drückte, tat er nichts. Wollte er hier die ganze Nacht verbringen?
Das konnte sie nicht zulassen. Sie musste ihm ein paar Dinge sagen.
Sie holte das Pfefferspray aus der Tasche. Seit Jahren trug sie es mit sich und hatte es nie benutzt. Vielleicht hatte sie heute Glück, und er würde ihr einen Grund geben, es ihm direkt in die Augen zu sprühen … Wo war ihre kugelsichere Weste, wenn sie sie brauchte?
"Steigen Sie aus dem Auto", rief sie zu ihm hinüber. "Wir müssen ein paar Dinge klären."
Wieder keine Reaktion. Er ließ noch nicht einmal die Scheibe herunter.
Sie konnte die Silhouette seines Kopfes erkennen, es wirkte so, als ob er sie anstarrte. Aber sein Gesicht lag im Dunkeln. Plötzlich fühlte Mattie sich eher unwohl als wütend. Es war seltsam, dass er nicht reagierte. Vielleicht irritierte sie das, doch jetzt war sie an einem Punkt, an dem es auch um Stolz ging.
Als sie zu seinem Auto ging, flog die Tür der Fahrerseite auf und traf sie an der Brust. Der Schlag ließ Mattie nach hinten taumeln, und der Schock wirbelte ihre Gedanken durcheinander. Das war kein Zufall. Sie fiel zu Boden und rang nach Atem, als hätte ein Vorschlaghammer sie erwischt. Der Schmerz setzte sie fast außer Gefecht. Trotzdem musste sie aufstehen. Er hatte ein Messer.
Sie hatte das Aufblitzen der silbernen Klinge gesehen, als die Tür aufflog.
Messer sind gefährlicher als Pistolen.
Sie hatte einen Kurs in Selbstverteidigung belegt, als sie noch als Anwältin arbeitete, und sie hatte nichts davon vergessen. Ein Mann konnte ein bereits gezogenes Messer schneller werfen, als ein Polizist seine Waffe ziehen und schießen konnte.
Wo war das Pfefferspray? Mattie konnte es im Dunkeln nicht finden.
Auf Knien tastete
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