Das Internat
Strahlen auf das Wasser warf, fühlte Mattie die Spannung langsam von sich abfallen.
Die Partygäste wirkten, als hätten sie viel Spaß. Man begrüßte sich warmherzig mit Händeschütteln und Umarmungen, allein das Geplauder und das Gelächter klangen etwas bemüht. Mattie bemerkte hier und da ein paar Singles, meist junge Männer. Eine attraktive Frau mit dunklen Haaren fing Matties Blick auf und lächelte.
In diesem Augenblick spürte Mattie ein stechendes Unbehagen. Kannte sie die Frau? Sie wollte sie nicht anstarren, also ließ sie den Blick zur anderen Seite des Pools wandern, wo sich ein distinguierter ergrauter Herr, wahrscheinlich Ende vierzig, in einem großen Pavillon unterhielt. Die Leute um ihn herum himmelten ihn an. Die Art, wie er Hof hielt, ließ Mattie annehmen, dass es sich um den Gastgeber handeln müsse.
Sie stellte das Champagnerglas ab und schlenderte in die Richtung des Pavillons. Als Mattie sich dem Pavillon näherte, hörte sie, wie jemand den Herrn Frank nannte und ihm ein Kompliment für sein wunderschönes Heim machte.
Es war O'Neill. Mattie wusste nicht genau, was sie machen sollte. Sie warf einen Blick auf die Schlange an der Bar und stellte fest, dass Jameson nicht mehr dort stand. Offenbar hatte er den Poolbereich verlassen, und Mattie konnte nicht auf ihn warten. Sie musste diese Angelegenheit allein klären, und sie fühlte sich seltsam schutzlos ohne Richtertitel.
Breezes Attraktivitätstheorie kam ihr in den Sinn. Mattie trug das Haar offen, aber sie hatte nicht viel mehr tun können, als es zu bürsten und auf das Beste zu hoffen. Sie schüttelte den Kopf, in der Hoffnung, dass ihre Frisur sexy und wild aussah, und befeuchtete sich die Lippen.
Was mache ich denn? Ich habe wohl zu viel von Breezes Zaubermitteln eingeatmet – es hatte ihr Gehirn vernebelt.
O'Neill schien den Small Talk im Pavillon beendet zu haben und war auf dem Weg hinaus. Zu Matties Überraschung stieg er die Stufen hinunter und kam direkt auf sie zu. Sie war darauf vorbereitet gewesen, ihn irgendwie abzufangen. Jetzt musste sie ihm nur noch die Hand geben.
"Mr. O'Neill? Eine wunderbare Party. Ich bin Lela Smith."
Einen kurzen Moment lang sah er irritiert aus. "Oh ja, Jameson hat mich vorhin angerufen. Er sagte, dass Sie Anwältin wären und einige Fragen zu den Ungereimtheiten in dem Fall seines Bruders hätten. Darf ich fragen, was Sie so sehr an dem Fall interessiert?"
"Ich mag Rätsel." Sie umschlang seine Finger mit beiden Händen und strich ihm sanft übers Handgelenk. "Passt es Ihnen jetzt? Haben Sie gerade einen Augenblick Zeit?"
Er ließ den Blick über ihr Haar und ihr Gesicht schweifen. Sein Atem schien etwas langsamer zu gehen. "Sicher, Jameson ist ein guter Freund. Wie kann ich Ihnen helfen?"
Breeze hätte ihren Spaß daran, dachte Mattie. Sie hatte erwartet, dass er ihr ausweichen und schnell verschwinden würde. Andererseits könnte er das noch tun, sobald sie ihre erste Frage stellte. "Können Sie mir sagen, warum die Akten im Fall Broud versiegelt sind? Er wurde aufgrund des DNA-Nachweises entlassen. Warum ist der Zugang immer noch nicht möglich?"
O'Neill zuckte die Schultern. "Das müssen Sie den Richter fragen, der den Verschluss angeordnet hat. Es könnte an dem erneuten Interesse an dem Fall liegen – oder daran, dass die Akten Informationen enthalten, die heute noch sensibel sind. Sie wissen sicher, dass es manchmal notwendig ist, die Identitäten der beteiligten Personen zu schützen, wie zum Beispiel Informanten und Zeugen, besonders minderjährige Zeugen."
Das wusste Mattie. Sie hatte selbst ein paar Mal in ihrer Karriere als Richterin einen Verschluss angeordnet, aber sie wollte O'Neill nicht unterbrechen. Er stellte sein juristisches Licht unter keinen Scheffel, und Mattie freute sich, so einige erhellende Erkenntnisse zu erlangen.
"Jeder scheint zu glauben, dass ich als Staatsanwalt an dem Fall beteiligt war", bemerkte er. "Ich war noch ganz neu zu der Zeit, ein echter Grünschnabel. Damals musste ich alles Mögliche recherchieren und bin nicht einmal in die Nähe des Gerichtssaals gekommen. Ich wurde nie auf dem Laufenden gehalten, aber eines kann ich Ihnen sagen: Sie waren davon überzeugt, dass sie den Schuldigen erwischt hatten. William Broud, ohne jeden Zweifel."
Mattie hatte bereits ausgeschlossen, dass er dem Sexring angehört hatte. Er war damals schlicht zu jung gewesen. Trotzdem war es interessant, wie er sich ausdrückte.
Nie auf dem Laufenden
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