Das Internat
Geländer. Mattie hatte noch nie zuvor ein so schönes Stück gesehen.
"Es ist wunderschön", sagte sie, ohne zu erklären, was sie meinte.
Auch eine Sammlung gerahmter Poster fiel ihr auf. Sie konnte die Bilder nicht gut erkennen, hatte jedoch den Eindruck, es handele sich um alte Cover eines Männermagazins.
"Was machst du?", fragte sie, als Jameson sich über einige Kartons beugte, die auf dem Boden neben seinem Schreibtisch standen.
"Jetzt muss ich dir ein Geständnis machen", sagte er und kam mit einer Videokassette in der Hand zu ihr herüber. "Das hier ist eines von Miss Rowes Bändern. Ich habe hier vermutlich Kopien des gesamten Sets, außer der Nummer fünfzig, der letzten Aufnahme. Jemand hat sie mir anonym zugeschickt."
"Wer würde so etwas machen?"
"Keine Ahnung."
Ihr Herz klopfte. Sie hatte auf ein paar Informationen gehofft, doch das hatte sie nicht erwartet. "Hast du sie alle gesehen?"
"Ja, und das hat viele Fragen aufgeworfen."
Offensichtlich wollte er, dass sie nachhakte. Aber das hätte sie nicht tun können, ohne dass ihr die Stimme gebrochen wäre. Dass Jameson in das Grauen ihrer Vergangenheit eingedrungen war, schmerzte sie. Er war Zeuge zumindest einiger Demütigungen geworden, von denen niemand erfahren sollte. Manchmal ertrug Mattie es kaum, dass Jane und Breeze Bescheid wussten. Sie war so furchtbar erniedrigt worden, dass sie die Erinnerungen fest in sich verschlossen hatte. So fest, dass sie selbst kaum herankam. Ein lähmendes Chaos – um sich zu schützen, hatte Mattie es eingemauert.
"Was weißt du über den Sexring, Mattie? Hat sie wirklich junge Mädchen wie dich verkauft? Hattest du etwas damit zu tun?"
Sie zwang sich zu einem kleinen Lachen. "Jetzt verweigere ich tatsächlich die Aussage."
"Das wette ich." Ein Stück schwarzer Stoff schaute aus seiner Hosentasche hervor. Er zog daran, faltete ihn auseinander und zeigte ihn Mattie. "Du hast dich wahrscheinlich gefragt, was damit passiert ist."
Matties Herz zog sich zusammen, als sie erkannte, was Jameson in der Hand hielt. Ihre Augenbinde. Er wollte wissen, ob das etwas mit dem Sexring zu tun habe. Eines machte diese Frage deutlich: Jameson kannte keine Grenzen.
"Ich habe mir gedacht, dass vermutlich jemand diese Augenbinde nötiger braucht als ich", sagte sie mit kalter Stimme.
"Ich glaube, das hängt davon ab, wie sehr
du
sie brauchst."
Sie zuckte die Schulter, um ihm das Gefühl zu geben, dass es ihr egal sei. Doch die Eile, mit der sie ihm die Binde aus der Hand genommen hatte, hatte sie vielleicht verraten. Wenigstens hatte sie sie wieder. Er konnte das Stück nicht gegen sie verwenden. Zum Glück wusste er nicht, dass es tatsächlich ein Beweisstück war. Ob er ahnte, wie sehr er sie enttäuscht hatte?
32. KAPITEL
A uf der Gästeliste von Frank O'Neills großzügiger Geburtstagsparty für seine Frau stand ein Mörder. Ein Wolf bewegte sich leichtfüßig durch die Menge ahnungsloser Schafe. Selbstgefällige Tiere, diese Schafe. Sie hatten keine Ahnung, wie leicht sie die Aufgabe dieses Gastes durch ihre leichtfertige Selbstgefälligkeit machten. Warum sollte jemand auf dem Anwesen von Marin Countys Topjuristen einen Gedanken an die Sicherheit verschwenden? Die Luft wäre hier zu dünn, das nahmen sie alle an. Welches Unheil könnte ihnen hier schon geschehen?
Einen Drink in der Hand, beobachtete der Gast die Menge und wirkte wie einer von ihnen, wie ein Teil der gehobenen Klasse. Tatsächlich waren das kurze, strahlende Lächeln und die guten Manieren eine Maske. Es war harte Arbeit. Jeder wurde observiert und beurteilt. Einige wurden nach ihren Charakterfehlern beurteilt, andere nach der Größe ihrer Särge.
In der großzügigen mediterranen Villa tobte das Leben, aber die meisten Gäste hatten sich um den blauen Mosaik-Swimmingpool versammelt. Das Geburtstagskind war auf der Überraschungsparty noch nicht erschienen – und niemand hätte ein Raubtier in ihrer Mitte erwartet. Jeder Anwesende galt als Freund und, noch wichtiger, als einer von ihnen, vertrauenswürdig und aufgeklärt … und das schloss diesen Gast ganz sicher ein.
Ja, das bin ich auch.
Der Wolf im Schafspelz.
Keiner dieser selbstgefälligen Snobs würde mich jemals verdächtigen. Ich sehe nicht wie ein Raubtier aus – was ein Teil meiner Fähigkeiten ist –, aber was bin ich anderes als das? Ich töte dort, wo es nötig ist. Niemals zufällig. Kaum je mit Feindseligkeit. Mörder behaupten immer, dass es keine persönliche
Weitere Kostenlose Bücher