Das Internat
wusste, dass er das die ganze Zeit gewollt hatte und diesem Wunsch jetzt nachgab: sie ansehen.
Was zum Teufel tat er?
So wie sie sich auf der einen Seite zusammengerollt hatte, um das verletzte Knie zu schonen, sah sie mehr wie ein neugeborenes Fohlen aus als ein Katzenjunges. Ein Eisbeutel lag auf dem Boden und nässte den Teppich. Jameson war natürlich auch nicht entgangen, dass die Decke weggerutscht war und sein geliehenes Hemd Matties Po und ihre Oberschenkel entblößte.
Hübsch, musste er zugeben. Sehr hübsch. In seinem Körper wallte plötzlich eine Hitze auf, als bereite er sich auf einen langen Winter vor. Ein hoffnungsvolles kleines Prickeln strömte in seine Magengrube, die Wangen wurden warm, und seine Muskeln versteiften sich dort, wo sie es nicht sollten.
Seine Gedanken beschäftigten sich mit Dingen, über die er nicht nachdenken sollte. Er konnte sich nicht gegen die Überlegung wehren. Wie wäre es, mit einer Kratzbürste wie ihr Sex zu haben? Eine glühende Abbitte? Oder ein glühender Tod? Danach gäbe es sicher keine Rettung mehr. Für keinen von beiden.
Schon einmal hatte Jameson den schlimmen Fehler gemacht, einem seiner Fälle zu nahezukommen, und es hätte ihn fast zu Fall gebracht. Ein prominenter Banker der Bay Area war bestialisch ermordet worden, und die Polizei hatte die Söhne des Opfers, beide im Teenageralter, festgenommen. Jameson war die Witwe aufgefallen, als sie im Fernsehen abstritt, dass ihre Jungs schuldig seien, und um Gnade für sie flehte.
Das Leid schien der Frau einen Schleier von Würde und Schönheit zu verleihen, den sie sonst vielleicht nicht gehabt hätte. Um Jameson war es auf den ersten Blick geschehen. Er nahm Kontakt auf und bot seine Hilfe an, die die Hinterbliebene gern annahm. Schließlich erfuhr der Fall eine bizarre Wendung, als Jameson den Beweis für die Schuld der Söhne fand und der Witwe die Nachricht überbringen musste. Sie gab vor, es zu akzeptieren. Doch in derselben Nacht nahm sie sich mit Schlafmitteln das Leben, weil sie die grausame Wahrheit nicht ertragen konnte. Jameson war dabei gewesen, sich in sie zu verlieben, und hatte es nicht kommen sehen. Noch Jahre später fühlte er sich für ihren Tod verantwortlich. Vielleicht sogar jetzt noch.
Tragödien schienen ihn magisch anzuziehen, und hier war sie wieder, in seinem Bett. Natürlich fühlte er sich zu Mattie Smith hingezogen. Er war von allem fasziniert, was dem Untergang geweiht war, und wenn das auf irgendjemanden zutraf, dann auf sie.
Was zur Hölle dachte er sich bloß dabei?
Frank O'Neills Büro war in einem Gerichtsgebäude in San Rafael untergebracht, mit dem Wagen brauchte Mattie nur etwa eine halbe Stunde vom Hotel. Schon einmal war Mattie da gewesen, deshalb fand sie das Gebäude ohne Schwierigkeiten. Aber als sie in die Einfahrt bog, beschlich Mattie ein ungutes Gefühl. Glücklicherweise war sie früh dran. So hatte sie noch Zeit, sich etwas zu sammeln und sich zu orientieren.
Sie hatte am Morgen bei der Autovermietung angerufen und den Dodge Stratus am Krematorium abholen lassen. Anschließend hatte Jameson sie zur Autovermietung gebracht, damit sie sich einen neuen Wagen geben lassen konnte. Es war ein teurer Tausch. Man hatte ihr eine Gebühr für die Abholung und weitere Kosten in Rechnung gestellt. Trotzdem war es jeden Penny wert gewesen. Mattie hatte sich den unauffälligsten Wagen ausgesucht. Darin fühlte sie sich, als würde sie ganz neu anfangen.
Jetzt zog sie sich ihre Leinenjacke über – der Tag hatte so kühl und bewölkt begonnen, wie es um diese Jahreszeit üblich war – und stieg aus dem Auto. Ihr Knie tat immer noch weh, wenn sie es belastete. Zum Glück hatte Mattie sich von Jameson zwei extrastarke Schmerztabletten geben lassen.
Als er heute Morgen anbot, das Frühstück zuzubereiten, war Jameson anders gewesen als sonst, irgendwie reservierter. Mattie hatte nichts außer Toast essen wollen. Nachdem sie die Spannung zwischen ihnen gespürt hatte, zog sie es vor, sich das Frühstück selbst zu machen. Sein Stimmungswechsel hatte Mattie klargemacht, dass sie sich zurückziehen sollte. Am Abend zuvor hatte sie tatsächlich überlegt, ob sie sich ihm öffnen sollte, ob sie ihm vertrauen könnte, wenn auch nur ein bisschen. Seltsam, wie allein die Vorstellung sie erschreckte. Andererseits war ein Teil in ihr zu erschöpft, jede Last allein zu tragen. Inzwischen war das Aufflackern von Verletzlichkeit verschwunden. Vielleicht hatte er diese
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