Das Internat
Veränderung in ihr auch bemerkt.
Sie sah sich im Hof um und warf prüfende Blicke auf die Umgebung. Zwar war es taghell. Aber wenn Mattie in den letzten Tagen etwas gelernt hatte, dann dass sie nicht zu vorsichtig sein konnte. Dem Wetter angemessen, hatte sie graue Leinenhosen und einen seidenen Rollkragenpullover angezogen. Breeze hätte das Outfit nicht gutgeheißen, obwohl Mattie sich Zeit für die Frisur und das Make-up genommen hatte. Um ihre blauen Augen zu betonen, hatte sie sogar etwas Lidschatten aufgetragen. Diese Sache mit der Attraktivität hatte was für sich, ob es Mattie nun gefiel oder nicht. Sie bezweifelte zwar, dass etwas so Oberflächliches nach dem ersten Eindruck noch weiter von Bedeutung war. Nur war sie mit Frank O'Neill ja auch noch nicht weitergekommen.
Auf dem Weg ins Gebäude überprüfte Mattie am Aushang, ob O'Neill da war. Sie hatte sehr viel über das Gespräch auf der Party nachgedacht. Seine Offenheit und Ehrlichkeit hatten Mattie beeindruckt. Aber ihr war auch klar geworden, dass dies für ihn ein Glücksfall sein könnte. Der Mord an William Broud war ein großes Thema in den Medien gewesen. Nach dreiundzwanzig Jahren den echten Mörder von Millicent Rowe zu finden, das wäre ein echter Coup – besonders wenn das bedeutete, dass O'Neill Nachforschungen über die Arbeit seines eigenen Büros anstellen müsste.
Er konnte nur gewinnen, wenn das Band gefunden würde. Mattie könnte alles verlieren. Das war der Fallstrick bei der gesamten Untersuchung. Sie und ihre Freundinnen waren nicht schuldlos. Das Beweisstück, nach dem sie suchte, könnte sie entlasten oder zu Verbrechern machen. Mattie konnte es nicht wissen, bevor sie es sehen würde. Und dann wäre es vielleicht zu spät.
Deshalb musste sie das Video unbedingt als Erste finden. Das war der einzig sichere Weg.
Als Mattie durch die Lobby des Gebäudes auf den Fahrstuhl zuging, sah sie eine wandgroße Gedenktafel, die die Sponsoren des neuen Gerichtsgebäudes ehrte. Ihr Blick fiel auf den Namen, der an erster Stelle stand: David Grace, einer der reichsten Männer im Land, der sein Geld mit Risikokapitalanlagen im Silikon Valley gemacht hatte.
Mattie wusste nur sehr wenig über Grace, außer dass er auf sehr intelligente Weise trotz des Börsencrashs in den Neunzigern Finanzspritzen an aufstrebende Jungunternehmen verteilt hatte und dass er Naturwissenschaftler war. Aus irgendeinem Grund blieb sein Name bei ihr hängen. Erst als sie aus dem Lift stieg, glaubte Mattie, zu wissen warum.
David Grace. D. G.? Es war weit hergeholt, aber nicht auszuschließen. Er könnte der Mann sein, der Miss Rowe Blumen geschickt hatte. Außerdem war es wahrscheinlich, dass er der Grace war, der die Stipendien für sie und die anderen Mädchen an der Rowe-Akademie finanziert hatte. Sie waren die Grace-Stipendiatinnen genannt worden.
Als sie den Warteraum betrat, warf Mattie einen Blick auf die Uhr. Sie hatte immer noch etwas Zeit, und sie musste ein paar Anrufe machen. Die Empfangsdame, eine ältere Dame mit schwarz gefärbtem Haar und rosigem Aussehen, begrüßte Mattie und teilte ihr mit, dass Mr. O'Neill sich um ein paar Minuten verspäten würde. Daraufhin entschuldigte sich Mattie und zog sich auf den Flur zurück.
Zuerst hörte sie ihre Mailbox ab, übersprang die Nachrichten von Jane und Jaydee – denen würde sie sich später widmen – und hörte schließlich die Stimme von Tansy Black. Tansy war davon überzeugt, dass jemand William Broud zum Schweigen hatte bringen wollen. Sie erinnerte sich daran, in der Mitschrift der Verhandlung gelesen zu haben, dass die Direktorin Herzwein zu kosmetischen Zwecken verwendet hätte. Tansy hielt es für keinen Zufall, dass das Gift in Brouds Körper gefunden worden war. Mattie löschte die Nachricht.
Als Nächstes rief sie Jane und Breeze an. Keine von ihnen ging ans Telefon. Also hinterließ Mattie ihnen die Nachricht, dass sie vielleicht Miss Rowes mysteriösen Liebhaber identifiziert habe. So wie ihr Herz raste, wusste sie, dass sie auf etwas Wichtiges gestoßen war. Doch es war zu früh, sich allzu große Hoffnungen zu machen.
Gerade als sie zurück in den Empfangsbereich ging, klingelte ihr Telefon. Das plötzliche Schrillen erschreckte sie. Janes Stimme allerdings erschreckte sie noch mehr.
"Mattie? Du und Breeze, ihr müsst so schnell wie möglich herkommen. Am Flughafen in San Francisco wartet ein Flieger. Kannst du kommen?"
"Jane, ich treffe mich gleich mit Frank O'Neill, dem
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