Das Internat
Rückblende erlebte.
Allmählich nahm sie Jane wieder wahr, die ihr die Hand hielt.
"Mattie, sieh nur, was du getan hast", sagte sie.
Mattie sah auf den Fingernagel, den sie fast ganz abgekaut hatte, und war davon angewidert. Sie war eine eigenständige Person, unabhängig von dem Eingreifen David Grace'. Er hatte vielleicht ein paar Fäden für sie gezogen – und wer hatte denn keinen Wohltäter, wenn es um solche Dinge ging –, aber er hatte nicht ihre Fälle verhandelt. Er hatte sie nicht im Denken oder in ihrer Suche nach Wahrheit beeinflusst. Was auch immer er in ihrer Umwelt verändert hatte, auf ihr Inneres hatte er keinen Einfluss ausgeübt.
"Mattie, sprich mit mir, bitte. Sag mir, was du denkst. Ich habe Angst.
Bitte
sprich mit mir."
Mattie hob den Kopf. Ihr berüchtigter feindseliger Blick ließ Jane blass werden. "Bist du fertig? Kann ich jetzt endlich gehen?"
Jane erwiderte den Blick. "Nein, kannst du nicht", sagte sie und stand auf. In ihrem Tonfall war all die Autorität zu hören, die sie als Anführerin ausüben konnte. "Du gehst hier nicht einfach weg. Das lasse ich nicht zu. Was ich getan habe, habe ich für uns getan. Ich habe nichts getan, um euch zu verletzen, jedenfalls nicht absichtlich. Ich wollte nur helfen. Breeze, sag es ihr bitte."
Breezes Stimme klang sanft und ungläubig. "Ich könnte nicht zufriedener sein", sagte sie. "Wenn David Grace hier wäre, würde ich ihm einen ausgeben. Der Mann hat mir meinen Erfolg ermöglicht, und ich liebe ihn dafür."
"Ein Spa ist vielleicht ein bisschen was anderes als das Bundesberufungsgericht", entgegnete Mattie.
Breeze schien anderer Meinung zu sein. "Was ist mit all dem Guten, das du in dieser Position tun konntest? Bist du nicht dankbar für die Gelegenheit?"
"Ich hätte sie mir lieber selbst verdient."
"Was – und all die Zeit verschwendet? Er hat dir zum Durchbruch verholfen, um Himmels willen. Denk mal darüber nach."
Mattie sah keine von beiden an. Sie hatten das schon zu oft mit ihr gemacht, sich gegen sie verbündet. "Ich werde nicht gern angelogen, verdammt noch mal."
"Und ich lüge nicht gern. Ich werde dich nicht um Vergebung bitten. Aber ich bitte um dein Verständnis – und um eines noch."
Mattie seufzte. Dem besänftigenden Blick aus Janes braunen Augen konnte sie nicht lange standhalten.
"Mattie, David will uns helfen", sagte sie. "Und wenn das irgendjemand kann, dann er. Er ist geschäftlich außer Landes, aber er möchte euch so schnell wie möglich treffen. Werdet ihr das tun?"
Der Raum knisterte wie aufgeladen. Ein lautes Knallen erschreckte sie. Eine Ecke des Zimmers versank in Dunkelheit, und Mattie bemerkte, dass eine Lampe ausgegangen war. Sie hörte keine Dinge. Es war nichts als eine Glühbirne gewesen, ein Kurzschluss vielleicht. Gott sei Dank.
Um ein paar Schritte zu machen und einen freien Kopf zu bekommen, stand Mattie vom Sofa auf. Jane hatte ihr eine Frage gestellt, und sie wusste keine Antwort.
Vor zweiundzwanzig Jahren hatte Jane einen verzweifelten Entschluss gefasst. Egal, was ihre Beweggründe gewesen waren, sie hatte die Grenze überschritten und sich mit Minos, dem König der Unterwelt, verbündet. Und auf vielfältige Weise hatte dieser Pakt sie heute in den Salon im Weißen Haus gebracht. Jetzt bat sie Mattie darum, diesen Pakt ebenfalls zu schließen. Aber es waren mehr als zwanzig Jahre vergangen, und Mattie war keine furchtlose Vierzehnjährige mehr.
35. KAPITEL
I ch bin nicht verrückt. Ich terrorisiere und quäle keine Menschen. Ich schände keine Leichen. Ich entferne Hindernisse, nichts anderes. Alle großen Figuren der Geschichte mussten Stolpersteine aus ihrem Weg räumen. Moses musste das Meer teilen. Jesus räumte mit seinen Wundern Zweifel aus. Mutter Teresa bekämpfte Armut und Ignoranz mit dem Schwert der Liebe und heilte so einen Menschen nach dem anderen.
Nicht Hitler, natürlich. Kriege und Massenmorde sind übertrieben, das Produkt eines kranken, paranoiden Geistes. Menschen lernen anhand von Beispielen. Nur wenige müssen entfernt werden, um die Masse zu erziehen. Die Menschen sind lernfähig, selbst die Schafe unter ihnen.
Ich bin stolz darauf, so effizient und organisiert zu sein. Manche von uns wurden dazu geboren, Großes zu vollbringen. Ich gehöre dazu, ich bin ein Macher. Mein Geist funktioniert einfach so. Wenn andere das nicht erkennen können, wenn sie nicht genug Verstand besitzen, um mir aus dem Weg zu gehen, dann lassen sie mir keine andere Wahl, als sie
Weitere Kostenlose Bücher