Das Internat
schwieg, Mattie allerdings war wütend. Sie hatte sich für diese zwei Frauen in Lebensgefahr begeben. "Woher weißt du das alles?"
Vorsichtig legte Jane sich die Hand an den Hals, verdrehte die Perlenkette und entwirrte sie wieder. "Nachdem man Miss Rowes Leiche abgeholt hatte, bin ich in Panik geraten. Ich war sicher, dass man den Herzwein finden und mit uns in Verbindung bringen würde. Ich wollte euch keine Angst machen, und deshalb habe ich mir einen Plan ausgedacht, der uns drei schützen sollte."
Das konnte Mattie nachvollziehen. Sie enthielt den beiden Frauen momentan auch Informationen vor, weil sie sie nicht ängstigen wollte.
"Du warst hinter Grace her?" Mattie hatte eine vage Vorstellung davon, was passiert war.
Kaum merklich nickte Jane. "Ich habe ihn gesucht und herausgefunden, dass er im Krankenhaus lag. Ich bin in sein Zimmer gegangen, wo er wegen eines schweren Asthmaanfalls lag und an ein Atemgerät angeschlossen war."
"Und du hast ihn erpresst?", fragte Mattie.
Breeze quiekte. "Oh, bitte sag mir, dass du es getan hast!"
"Erpressung ist so ein hässliches Wort. Ich habe ihn gewarnt und ihm gesagt, dass er vorsichtig sein sollte. Wenn ich von ihm und Miss Rowe wüsste, würde es vielleicht auch noch andere geben. Das war alles, was ich gesagt habe."
"Mutig", lobte Breeze. "Hattest du keine Angst, dass er dich direkt der Polizei übergeben würde?"
"Ich dachte, er würde mich umbringen oder entführen lassen und mich in die Sklaverei verkaufen. Ich stellte mir vor, dass ich spurlos verschwinden würde und keiner von euch wüsste, was mit mir passiert ist. Aber angesichts der Tatsache, dass seine Geliebte ermordet worden war, hoffte ich, dass er seine geheimen Verabredungen nicht ans Licht der Öffentlichkeit tragen wollte. Und ich hatte recht."
"Was hat er gesagt?", fragte Mattie.
"Das werdet ihr nicht glauben." In Janes Gesicht schlich sich ein wehmütiges Lächeln. "Er fragte mich nach meinen Träumen. Als ich mich von dem Schock erholt hatte, erzählte ich ihm, dass ich die Welt verändern wolle. Ich wollte Politik, vielleicht in die Regierung. Er sagte, meine Wünsche seien nicht groß genug und dass ich Präsidentin werden könne, wenn ich wolle. Er könne viel ungenutztes Potenzial in mir sehen. Das waren genau seine Worte, ungenutztes Potenzial."
"Hat er dir Geld angeboten?"
"Nein, Breeze, dafür hatte er zu viel Klasse. Aber hört zu – offensichtlich hatte er eine Tochter, die eine schreckliche Enttäuschung für ihn war. Er sagte, dass sie keine Vision hätte, keinen Leitstern, und dass er nicht an sie herankäme. Mir versicherte er, dass ich mir keine Sorgen machen müsse, dass er mir bei der Verwirklichung meiner Träume helfen würde. Und, wenn ihr das glauben könnt, er entschuldigte sich für das Grace-Stipendienprogramm. Er sagte, es würde nicht so funktionieren, wie er es sich vorgestellt hätte. Bis zu jenem Tag hatte ich gar nicht gewusst, dass
er
das Grace-Stipendienprogramm war."
"Wusste er von dem Sexring?", fragte Mattie. "War er daran beteiligt?"
"Ich habe es nicht angesprochen und er auch nicht. Tatsache ist, dass wir bis heute nicht darüber geredet haben."
Mattie überkam ein Schwindelgefühl. Sie wusste nicht, ob es an Janes Worten oder an der Kopfverletzung lag. "Du bist mit ihm immer noch in Kontakt?"
"Wer, denkst du, hat mich Larry vorgestellt?" Sie hielt ihren Ringfinger hoch.
"Oh, mein Gott", flüsterte Breeze.
"Wer, denkst du wohl, hat meine Bryn-Mawr-Ausbildung bezahlt und mir den fantastischen Job im Auswärtigen Amt besorgt?"
Mattie stieß ein Pfeifen aus. Jane hatte Spaß an den Enthüllungen. Vor Jahren hatte sie einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, und es hatte funktioniert. Jane besaß alles, was sie wollte. Dass sie vollkommen überrascht war, konnte Mattie nicht behaupten. Anders als Graces Tochter hatte Jane immer große Pläne gehabt – und auch den Willen, sie in die Tat umzusetzen. Aber Mattie konnte sich nicht vorstellen, dass Janes einzige Gegenleistung Schweigen gewesen war.
"Wie war er?", platzte Breeze neugierig heraus. "Ich habe gehört, dass er ein Einsiedler ist. Er gibt kaum Interviews und er lässt auch keinen Fotos von sich machen. Ist er ein hässlicher Gnom?"
"Nein, er ist ein wirklich attraktiver Mann, damals wie heute."
Mattie inspizierte ihre Nägel und sah ihnen die Auswirkungen der letzten zwei Tage an. Sie waren gesplittert und voller Nietnägel. Diese Tatsache beunruhigte sie, aber nicht aus dem
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