Das Internat
amüsierte. Wenigstens hatte sie am Flughafen einen Reiseführer mitgenommen, der einige Sätze auf Italienisch enthielt.
"Siamo quasi là?"
Um das Motorengeräusch zu übertönen, musste sie die Stimme heben. Mit Glück hatte sie ihn gefragt, ob sie bald da wären.
"Drei Kilometer", rief er in stark gebrochenem Englisch zurück.
Drei Kilometer. Fast am Ziel. Mattie hatte schon geglaubt, dass das nie passieren würde. Von London war sie nach Rom geflogen, wo Grace' Limousine sie abgeholt hatte. Die etwa zweieinhalbstündige Fahrt an der Küste entlang hatte sie auf teilweise sehr abenteuerliche Straßen geführt.
Auf dem Gipfel des Bergs fuhr der Fahrer auf einen weißen Kiesweg, der von Bäumen und klassischen Statuen umsäumt war. Die Pracht des Anwesens hatte Mattie nicht erwartet, als sie darauf zufuhren. Anscheinend besaß Grace viele Häuser. Das Bauwerk, das Mattie jetzt erblickte, hatte Jane als Villa beschrieben, aber es war viel größer als das.
Der Eingang erinnerte Mattie an ein Senatsgebäude im alten Rom. Marmorstufen führten zu einem runden Vorbau mit alabasterfarbenen Säulen. Granitfiguren, die möglicherweise das Fabelwesen Greif darstellten, standen auf jeder Seite der Flügeltüren. Hellgrüne, kunstvoll beschnittene Bäume hatten wie von Zauberhand die Form von Zirkusfiguren angenommen.
Der Bentley kam direkt vor dem Eingang zum Stehen, wo ein großer silberhaariger Mann bereits wartete. Das ist nicht David Grace, stellte Mattie fest. Es war ein Bediensteter, ein Butler in Livree.
Sehr vornehm, dachte sie. Grace musste wie ein Lord in einem Palast leben.
Mattie schaute auf ihre Armbanduhr und rechnete zehn Stunden Zeitverschiebung dazu. In Italien war es mitten am Nachmittag, und Mattie hatte seit über vierundzwanzig Stunden weder geduscht noch die Kleidung gewechselt. Für den Ausflug hatte Jane ihr einige Stücke geliehen, glücklicherweise trugen sie fast die gleiche Größe. Mattie hatte sich auf der Flugzeugtoilette, so gut es ging, frisch gemacht. Trotzdem, sie fühlte sich unter diesen Umständen nicht besonders repräsentabel. Für ein Bad und ein paar Stunden Schlaf vor ihrem Treffen mit dem Gastgeber hätte sie einiges gegeben.
Douglas, der englische Butler, gab dem Fahrer Anweisungen, wo er ihre Taschen hinbringen sollte, und führte Mattie ins Foyer der Villa. Italienische Fresken, die an die Renaissance erinnerten, schmückten die gewölbte Decke. Die Wandbemalung zwischen den Säulen zeigte eine üppige grüne Landschaft. Hinter dem Foyer entdeckte Mattie eine Fläche glänzenden schwarzen Marmors. Sie führte zu einer Fensterfront, hinter der die Klippen und das Meer zu sehen waren.
Ein kobaltblauer Himmel dominierte das Fensterzimmer, wie Mattie es bei sich nannte. Sie sah goldene Stühle, die mit Versacestoffen bezogen waren, einen großen Konzertflügel und dünne Bambusrohre, die in lackierten Kästen standen. Bei dem Anblick wurde Mattie beinah schwindelig, und mitten drin stand David Grace.
"Euer Ehren, willkommen", sagte er und schritt auf sie zu, um sie zu begrüßen.
Mattie hatte einen großen Mann mit makellosen Manieren und den Wesenszügen eines Patriarchs erwartet. Dass er warmherzig und freundlich war, überraschte sie. Wenn er bemerkt hatte, dass ihre Kleidung zerknittert war und sie unter der Zeitverschiebung litt, ließ er sich nichts anmerken. Nur die Traurigkeit in seinen wolkengrauen Augen konnte er nicht verbergen.
Mattie war sofort fasziniert.
"Jane sagte mir, dass Sie wunderschön sind." Sein Lächeln verscheuchte einige Schatten in seinem Blick. "Ihre Beschreibung ist Ihnen allerdings nicht gerecht geworden. Ihre Augen stellen die Farbe des Horizonts in den Schatten."
Mattie wusste nicht, was sie tun sollte, als er ihre Hand küsste. Wieder betonte er, wie schön sie sei, und fast hätte Mattie ihm geglaubt.
"Sie müssen müde sein", sagte er. "Soll ich Ihnen kurz das Haus zeigen, bevor Douglas Sie zu Ihrem Zimmer bringt, oder möchten Sie sich direkt hinlegen? Wenn Sie ausgeschlafen sind, lasse ich uns auf der Terrasse einen Snack servieren, und wir können uns unterhalten. Ich habe Neuigkeiten für Sie."
"Neuigkeiten? Wirklich?"
"Gute Neuigkeiten", versicherte er, "aber das kann warten, bis wir allein sind."
Mattie zweifelte daran, ob sie genug Zeit hätte, um auszuschlafen. Trotzdem wollte sie sich eine Führung durch die Villa nicht entgehen lassen. Sie wirkte groß genug, um sich darin zu verlaufen.
"Zuerst der Rundgang", sagte
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