Das Internat
vorgekommen war. Es erschien ihr unmöglich, dass die traurigen Augen Miss Rowe gehörten. Dennoch, irgendetwas hatte die Direktorin zu ihren Grausamkeiten getrieben, vielleicht ein unerträglicher Schmerz.
"Wunderhübsch", sagte Grace und sah hoch, als Mattie zu ihm trat. Er ließ einen kritischen Blick über ihr Kleid gleiten, bevor er anerkennend nickte. Mattie fühlte sich so geschmeichelt und erleichtert, als hätte sie eine Inspektion überstanden.
"Kommen Sie doch zu mir." Um Mattie den Stuhl zurechtzurücken, stand David Grace auf. "Douglas sollte bald mit dem ersten Gang hier sein. Er zählt Kochen zu seinen vielen Talenten und hat Ihnen zu Ehren den ganzen Nachmittag in der Küche verbracht. Möchten Sie ein Glas Champagner?"
Mattie nickte, und er schenkte ihnen beiden ein und murmelte "
Salute",
als die silbernen Gläser beim Anstoßen klirrten. Wenige Augenblicke später erschien Douglas mit einem Teller Kaviar-Kanapees in der Hand. Einen bunten Antipastisalat und eine Auswahl regionaler Delikatessen trug er dazu auf. Mattie nahm sich von den Kanapees und beträufelte sie mit dem Saft einer Zitrone, die in einem Baumwolltuch eingewickelt war.
Sie knabberte selig, genoss jeden pikanten Happen, bis David sie überredete, die Calamari zu probieren. Tintenfisch hatte nie zu ihren Favoriten gehört, doch der hier war in Oliven, Tomatensaft und Knoblauch eingelegt, einfach köstlich.
Als sie fast fertig waren, erschien Douglas mit einer zweiten Platte. Auf dieser befand sich eine Ansammlung von Muscheln, Garnelen und Krabben in einer butterigen, scharfen Soße. Außerdem gab es gegrillten Sägebarsch, geschmorte Trüffel und frischen Spargel.
David riet Mattie, mit dem Sägebarsch zu beginnen, damit sie die feinen Aromen zuerst genießen konnte. Sie tat, wie geheißen, und kostete anschließend die Muscheln und ein zweites Glas Champagner. Mattie hätte seufzen können, so lecker war alles.
Dass David Grace sie während der Mahlzeit beobachtete, war Mattie nicht entgangen. Sein Gesichtsausdruck hatte ihr gezeigt, dass etwas so Einfaches, wie eine Frau gutes Essen genießen zu sehen, ihm Freude bereitete. Mattie hatte den Eindruck, dass Grace die meiste Zeit allein verbrachte.
Während eines leichten Desserts, bestehend aus italienischem Eis, stellte sie die Frage, die ihr seit Stunden unter den Nägeln brannte. "Jane sagte mir, dass Sie bei meiner Ernennung ans Bundesgericht behilflich waren. Darf ich fragen, wie Sie das gemacht haben?"
Seine Ellbogen waren auf dem Tisch abgestützt. "In Ihrem Fall ging alles sehr glatt. Ihre Erfolge sprechen für sich, und der Kongress hatte nicht viel einzuwenden, weil Sie sich politisch nicht verzettelt hatten. Im Übrigen, Mattie, repräsentieren Sie in meinen Augen das Ideal einer Juristin. Wir haben einfach zu wenige Rechtsgelehrte, die bereit sind, ihre persönlichen Neigungen zu vernachlässigen und sich nur auf den Fall zu konzentrieren. Sie tun das grundsätzlich und es ist … erfrischend."
Er nickte ihr mit Bewunderung in den Augen zu, und Mattie fühlte sich aufrichtig geschmeichelt.
"Vielen Dank für alles", sagte sie einen Moment später, als sie zum Abschluss entkoffeinierten Espresso aus kleinen Tassen tranken. "Ich werde morgen wieder abreisen." Sie hoffte, ihn mit dieser Ankündigung dazu zu bringen, dass er ihr die Neuigkeiten verriet.
"Es ist eine Schande, dass Sie nicht länger bleiben können. Sie haben noch nichts von der Gegend gesehen. Aber die Pflicht ruft, das verstehe ich natürlich. Ich habe morgen früh selbst geschäftlich zu tun, deshalb habe ich dafür gesorgt, dass Ihnen ein Fahrer zur Verfügung steht. Er wird Sie zum Flughafen bringen, wenn Sie so weit sind. Falls Sie noch irgendwo anders hinmöchten, sagen Sie ihm einfach Bescheid. Er stammt aus der Gegend und könnte genauso gut als Fremdenführer fungieren."
"Das ist sehr freundlich." Sie setzte die Tasse auf dem winzigen Unterteller ab. "Sie sagten, Sie hätten gute Neuigkeiten."
"Nun, vielleicht nicht im herkömmlichen Sinne." Er stand auf und ging ein paar Schritte auf das Terrassengeländer zu. "Jane erzählte mir, dass Sie drei von einem Schriftsteller namens Jameson Cross belästigt werden. Wenn ich etwas im Leben gelernt habe, dann, dass die meisten von uns Geheimnisse haben, die nicht entdeckt werden sollen. Und dass wir bis zum Äußersten gehen, um diese Geheimnisse zu schützen."
"Jameson hat so ein Geheimnis?"
"Seine Arbeit hat ihn zu einer öffentlichen Person
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