Das Internat
gemacht – und damit zum potenziellen Opfer für Erpressungsversuche. Das ist der Preis des Erfolgs."
Die Wendung des Gesprächs überraschte Mattie – sie war nicht sicher, ob sie Grace' Neuigkeiten noch hören wollte. Würde er ihr erzählen, dass die Zweifel gegenüber Jameson berechtigt seien? Vielleicht zog er tatsächlich nachts los und tat Dinge, wie sie die Zeichnungen an seiner Wand abbildeten. Oder noch schlimmer, er hatte Mattie angegriffen. Natürlich musste sie es wissen. Und wenn sie diese Information nutzen konnte, würde sie es.
"Warum tun Sie das?"
"Weil Jane eine Freundin ist und mich um Hilfe gebeten hat."
Ganz so einfach war es nie, aber Mattie wollte sich jetzt auf keine Diskussion einlassen.
"Habe ich irgendwelche Grenzen überschritten?", fragte er. "Wenn Sie die Information lieber nicht hätten, dann sagen Sie es einfach."
"Nein, bitte sagen Sie mir, was Sie wissen."
Er kam zurück zum Tisch und füllte die Champagnergläser erneut. Als er sich hinsetzte und ihr alles erzählte, wurde der Himmel zuerst rosa, dann violett und schließlich nachtblau. Das Grinsen des Halbmondes spiegelte sich auf dem weinfarbenen Meer. Mit jeder Sekunde wurde alles in Matties Umgebung immer schöner – während David Grace ihr eine Geschichte erzählte, die Mattie zutiefst verstörte, sodass sie sich von ganzem Herzen wünschte, sie hätte nicht gefragt.
Als Mattie aufwachte, war das Frühstück in ihrem Zimmer angerichtet. Ein Tablett mit Brötchen, Kaffee, frischen Früchten und Saft stand auf der Samtbank am Fußende ihres Bettes. Mattie hatte nicht einmal gehört, wie Douglas den Raum betreten hatte. Das fand sie etwas unheimlich, aber vielleicht waren die Reichen daran gewöhnt, dass Leute in ihren Zimmern herumschlichen und sich um Dinge kümmerten, während sie selbst schliefen.
Das Festessen von gestern Abend hatte sie mehr als gesättigt, und sie konnte das Frühstück deshalb nicht anrühren. So griff sie nur nach ein paar Apfelschnitzen, während sie sich fertig machte. Sie hatte nicht einmal ausgepackt, also gab es nichts zu tun, außer zu duschen, sich anzuziehen und loszufahren. Sie würde den Fahrer bitten, in Ravello anzuhalten, damit sie etwas Sightseeing machen könne. Natürlich wollte sie in Wahrheit die Klinik besuchen und so viel Informationen wie möglich über David Grace' Frau sammeln.
Die Fahrt in die Stadt dauerte nicht lang, obwohl die Strecke über die schlechte Straße an den Klippen entlang gefährlich war. Der Fahrer ließ Mattie im malerischen Stadtzentrum aussteigen und versprach, sie dort in einer Stunde abzuholen. Kaum war er aus ihrem Blickfeld verschwunden, rief Mattie ein Taxi und ließ sich zur Klinik fahren. Das Krankenhaus war in einem wunderschönen, verwinkelten alten Anwesen untergebracht, das in blumenreichen Gärten lag und atemberaubende Ausblicke auf das Meer bot.
Der erste Eindruck täuschte Mattie nicht. Die Patienten der La-Serena-Clinica waren reich, dementsprechend streng wurden die Sicherheitsvorkehrungen beachtet. Glücklicherweise sprachen die Angestellten gut Englisch. Doch Matties Geschichte, dass sie als Baby adoptiert worden sei und die Unterlagen ihrer biologischen Mutter wegen einer mysteriösen genetisch bedingten Krankheit einsehen müsse, stieß auf taube Ohren. Der Verwalterin mit dem steinernen Gesichtsausdruck konnte Mattie nicht einmal entlocken, ob sie zwanzig Jahre alte Unterlagen noch aufbewahrten oder wie lang sie selbst schon in der Klinik arbeitete. Mattie fragte sich, ob die Frau überhaupt ihren Namen verraten hätte, wenn er nicht in das Metallschild auf ihrem Schreibtisch eingraviert gewesen wäre.
Auf dem Weg hinaus wandte sich Mattie mit der gleichen Geschichte an eine ältere Empfangsdame. Die Frau hatte Mitleid, konnte ihr aber auch nicht helfen. "Ich wüsste nicht, wo ich nach einer zwanzig Jahre alten Akte suchen sollte", erklärte sie Mattie, während sie sie zur Tür begleitete. "Der Einzige, der schon so lange hier angestellt ist, ist unser Gärtner Alessandro."
Mattie bedankte sich und ging hinaus, um sich auf dem Gelände umzusehen. Offensichtlich kümmerte sich jemand hingebungsvoll um das Anwesen. Ob ein Gärtner das allein schaffen konnte? Die weitläufigen Grünflächen waren perfekt gemäht und beschnitten, der Hartriegel stand in voller Blüte. Sie ging einen weißen Kieselweg entlang, der durch leuchtende Blumenbeete führte und an einer grottenähnlichen Nische mit einem Springbrunnen und kühlen
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