Das Internat
bringen. Ein Tropfen Parfum in das Dekolleté verfehlte die gewünschte Wirkung nie. Und einen weiteren in den Bauchnabel. Dann mal los, dachte sie und drapierte sich träge auf die Chaiselongue, um auf ihn zu warten. Zu dick aufgetragen für Seine Königliche Hoheit? Zu offensichtlich? Vielleicht.
Ein Klopfen an der Tür ließ ihr Herz rasen. Dies war der entscheidende Moment. Wenn sie sich verkalkuliert hatte, würde sie es sofort wissen.
Sie war sich nicht sicher, ob er ihr in seiner Robe und der Keffiyeh, der traditionellen Kopfbedeckung, besser gefallen hatte als in dem maßgeschneiderten dunklen Anzug, den er jetzt trug.
"Möchten Sie hereinkommen?", fragte sie und schenkte ihrem Gast ein Lächeln.
Seine gesellschaftliche Position verlangte, dass sie aufstand und ihm so Respekt zollte. Sie tat natürlich nichts dergleichen. Sie ließ einen Träger von der Schulter gleiten, während sie sich langsam aufsetzte.
"Haben Sie jemals die amerikanische Zeitschrift 'Playboy' gelesen? Ja?" Sie erwiderte sein eifriges Lächeln. "Nun ehrlich gesagt wusste ich das bereits, Königliche Hoheit. Jemand hat mir verraten, dass dies Ihr Lieblingsmagazin ist, und ich habe ein kleines Geheimnis. Ich wollte schon immer das Mädchen auf dem Poster in der Heftmitte sein."
Die Polaroidkamera lag immer noch inmitten der Dessous auf ihrem Bett. Breeze griff danach und reichte sie ihm, wie zufällig glitt dabei ihre Weste auseinander. "Würden Sie den Job übernehmen?"
Er nahm die Kamera, und sie konnte am Funkeln seiner Augen erkennen, dass sie das Richtige getan hatte. In den nächsten paar Stunden würde nichts anderes zählen, als diesen Mann, der alles besaß, glücklich zu machen. Und alles, was dazu nötig war, besaß Breeze: eine Polaroid für fünfzig Dollar und ein bisschen Vorstellungskraft.
6. KAPITEL
R owe-Akademie
Herbst 1981
Mattie wusste nicht, ob sie schreien oder sich tot stellen sollte. Die Schritte hatten direkt vor der Abseite gestoppt. Jemand war dort draußen. Mattie konnte also nicht weit von einer Halle oder einem Flur entfernt sein. Sie dachte nicht, dass irgendwer außer Miss Rowe wusste, wo sie war, aber andererseits hatte Mattie keine Ahnung, wie lange sie bewusstlos gewesen war und an diesem Ort gefangen.
Wenn sie sich ruhig verhielt, würde die Direktorin vielleicht denken, sie wäre schon tot, und ließe sie hier verrotten. Kein schöner Gedanke, aber besser als noch mehr Qualen durch eine sadistische Geistesgestörte zu erleiden. Mattie wollte nicht verstümmelt werden und dann in den Wänden der Rowe-Akademie verenden. Sie wollte fliehen, und wenn dies ihre einzige Chance war, durfte sie es nicht vermasseln.
Sie schloss die Augen und hörte das röchelnde Geräusch ihres Atmens. Sie klang wie ein Güterzug, und das allein versetzte sie in Panik. Es musste doch einen Weg geben, sich zu beruhigen! Sie zwang sich, ganz langsam zu atmen und in sich zu gehen. Das vermittelte ihr nach einer Weile das wunderbare Gefühl, wie ein Tiefseetaucher in die Stille zu sinken, und in diesem eigenartigen Zustand fand sie plötzlich die Lösung.
Vor ihrem inneren Auge sah Mattie das Schwarze einer Zielscheibe vor sich. Ihre Schießstunden verlangten immer volle Konzentration. Sie erlebte dort eine Entspannung und innere Ruhe wie nirgendwo sonst. Manchmal hatte sie das Gefühl, mit der gelben Kugel in der Mitte zu verschmelzen und in einen tranceartigen Zustand zu versinken, der alles andere ausblendete. Im Ruhepol der sich drehenden Welt, dachte sie in Erinnerung an das Zitat von T. S. Eliot aus ihrem Literaturunterricht.
Konzentriere dich darauf.
Ihre Arme entspannten sich, und sie streckte die Finger, die zu Fäusten geballt gewesen waren. Die Stille war tröstend, und als Mattie darüber nachdachte, stellte sie fest, dass das Kabel aufgehört hatte zu funken. Vielleicht war die Leitung tot, und sie war wenigstens davor sicher.
Sie hatte begonnen zu glauben, dass ihr Plan funktionieren würde, als sie ein Kratzen hörte. Es drang durch den Boden unter ihren Füßen und klang, als versuchte jemand, ein altes Rost zu bewegen, vielleicht von einem Belüftungsschacht, aber das schien in einem so alten Gebäude unwahrscheinlich.
"Ist da jemand in der Wand?"
Mattie schlug die Augen auf. Wer auch immer das war, die Person sprach mit ihr.
"Mattie, bist du's? Bist du da drin?"
Die Stimme klang vertraut, aber … War das Jane?
Matties Herzschlag geriet außer Kontrolle. Sie war sich nicht sicher, und sie
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