Das Internat
vor der Umgebung. Jane hatte oft Erfrischungen angenommen, um Erwartungen zu erfüllen oder sich die Zeit zu vertreiben.
Was konnte Mattie Smith nur wollen? Jane konnte an nichts anderes denken, als sie den Raum durchquerte. Es war einige Jahre her, seit sie zuletzt persönlich mit Mattie gesprochen hatte, und dringend konnte alles Mögliche sein. War Mattie etwas zugestoßen? Oder Breeze Wheeler, ihrer anderen Freundin aus dem Internat?
Die Rowe-Akademie.
Das satte Blau und Gelb des Empfangsraumes wurde vor ihren Augen blass, und sie verlangsamte ihre Bewegungen, um die Fassung wiederzuerlangen. Sie hatte das alles hinter sich gelassen, so weit hinter sich, dass es sie nicht einholen konnte, nicht jetzt, nicht hier. Sie fühlte sich leicht benommen und hörte ein seltsames Klopfen in den Ohren. Was war das für ein Geräusch? Ihr Herz?
Es dauerte einen Moment, bis sie begriff, was passierte. Sie hatte dieses Gefühl so lange nicht gehabt, dass sie es kaum erkannte. Janes Zeitplan war lang und eng, aber sie hatte den Stress immer als positiv empfunden. Sie mochte die Disziplin, die nötig war, um so viele Dinge zu erledigen. Es gab keine Gelegenheit, irgendwelchen Gefühlen nachzugeben. Emotionale Höhen und Tiefen waren gefährlich, weil sie einen aus der Bahn werfen konnten. Also gab Jane Gas und sah zu, dass sie nicht ins Schlingern geriet.
Es ging nicht um Rowe. Das würde Jane nicht zulassen.
Sie zog ein Taschentuch aus dem Ärmel ihres Blazers und putzte sich die Nase. Bevor sie das weiße Spitzentuch zurücksteckte, warf sie einen Blick darauf. Wenn sie unter Stress stand, bekam Jane schnell Nasenbluten, dagegen konnte sie nichts tun. Zum Glück hatte das bislang niemand bemerkt, sonst hätte sie deswegen zum Arzt gehen müssen.
Vor Jahren hatte sie damit begonnen, leichte Beruhigungspillen in so winzige Stücke zu schneiden, dass sie wie Splitter aussahen. Die Tabletten halfen ihr, den Tag durchzustehen. Jane war stolz darauf, dass man ihr Nerven aus Stahl nachsagte, auch wenn sie die nur dank ihrer kleinen Helfer hatte. Außerdem wachte sie mitten in der Nacht nicht gern schweißgebadet auf und kämpfte mit den Dämonen, die in irgendwelchen dunklen Ecken auf sie warteten.
Sie sah auf ihre Armbanduhr.
Noch eine Stunde? Heute war es schlimm.
Jane ging mit einem entschuldigenden Lächeln auf Señora Velasquez zu. "Ich möchte unser Gespräch über den Regenwald fortsetzen", sagte sie. "Habe ich erwähnt, dass ich die Schritte bewundere, die Sie und Ihr Gatte unternommen haben, um die natürlichen Ressourcen Ihres Landes zu erhalten?"
Janes Hände waren eiskalt, sodass die andere Frau zurückzuckte, als Jane ihren Arm berührte. Der Schreck im Gesicht der peruanischen First Lady löste eine Vorahnung in Jane aus. Sie hatte so etwas wie einen sechsten Sinn für manche Dinge. Matties Anruf gehörte dazu. Was auch immer passiert sein mochte, es war nichts Gutes. Und nach Jahren der Leere fühlte sie plötzlich das Einsetzen des einen Gefühls, das sie nie wieder spüren wollte: Furcht.
Breeze Wheeler stand vor ihrer Kommode mit Dessous und suchte nach dem perfekten Teil, als sie das Klingeln des Telefons hörte. Entschlossen, ihre Suche fortzusetzen, nahm sie das schwarze Satinnegligé heraus und betrachtete es kritisch. Zwar bestand es aus außergewöhnlich schöner Spitze, aber es war nicht das Richtige. Zu klassisch. Sie suchte nach etwas Sinnlichem, Verspieltem. Ein üppiges Dekolleté, die weichen Federn einer Boa und Marilyn Monroes verruchte Atemlosigkeit, so etwas schwebte Breeze vor.
Sie entdeckte ein rotes Babydoll aus Chiffon, legte es neben die anderen ausgewählten Stücke auf ihr Bett und ignorierte das andauernde Klingeln des Telefons.
"Zwei, drei, vier, fünf, sechs", murmelte sie, während sie die Stücke zählte, die sie herausgelegt hatte. Das sollte funktionieren. Zufrieden legte sie noch eine Polaroidkamera auf eines der Samtkissen.
Schon wieder das Telefon. Ihr Gast musste da sein, und er war es nicht gewohnt, zu warten. Seine Untergebenen zitterten in seiner Gegenwart, aber hier in Breeze Wheelers Luxusressort "Spa Marbella" galten die allgemeinen Regeln nicht. Hier war auch er nur einer von vielen Männern, die eine ihrer verschiedenen und höchst exklusiven Dienstleistungen brauchten.
Das war vielleicht der beste Part ihres eigenartigen und wunderbaren Lebens: die Mächtigen verletzlich zu sehen. Hinter den selbstbewussten Fassaden wurden Zweifel und Ängste sichtbar, und es
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