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Das Internat

Das Internat

Titel: Das Internat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Forster
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erstarrt. Zahlreiche Augenpaare waren auf sie gerichtet, mit dem entsetzten Blick, wie man ihn bei Zeugen einer Hinrichtung sieht.
    Der Gerichtsdiener wies Cross an, sich vom Richterstuhl zu entfernen und sich umzudrehen. Als Cross das tat, griff der Beamte nach einem Paar Handschellen.
    "Das ist nicht nötig." Matties Stimme war nicht laut genug, um zu ihm durchzudringen. Sie stellte sich zitternd hin und legte die Fäuste auf das glänzende Mahagoniholz.
    "Stecken Sie die Waffe weg", wies sie den Gerichtsdiener in einem strengen Ton an. "Ich kenne diesen Mann, und er wollte mir nichts tun."
    Cross wandte sich nun ihr zu. Sein finsterer Blick schien Mattie zu durchbohren. Er sah so aus, als könnte er ihr durchaus etwas antun.
    Noch schlimmer wurde die Sache dadurch, dass Mattie den Grund für seinen Zorn zu kennen glaubte. Cross musste bei seiner Schnüffelrei etwas entdeckt haben, das die einsamen Mädchen mit dem Tod von Miss Rowe in Verbindung brachte. Kein Indiz, sondern einen Beweis, und er würde damit zur Polizei gehen. Aber nicht bevor er der Richterin eine Gelegenheit zum Geständnis in ihrem eigenen Gerichtssaal gegeben hätte.
Wie großzügig!
    "Euer Ehren?" Einer der Anwälte näherte sich vorsichtig dem Richterstuhl. "Sind Sie in Ordnung?"
    "Mir geht es gut", versicherte Mattie. "Würden Sie mir helfen, den Raum zu räumen? Der Herr und ich haben etwas Geschäftliches zu besprechen."
    Sie winkte nach dem Gerichtsdiener und gab ihm Anweisungen. "Sorgen Sie dafür, dass hier alle so schnell wie möglich den Raum verlassen. Die Anhörung beginnt, sobald das fehlende Mitglied des Komitees eingetroffen ist."
    "Wenn ich Sie wäre, würde ich es bis morgen verschieben." Cross machte den Vorschlag mit tiefer Stimme, er sprach sehr leise. Die Worte waren nur für Matties Ohren bestimmt, und seine Diskretion erleichterte sie. Wenigstens schien er gewillt, zu warten, bis der Raum sich geleert hatte, bevor er mit seinen verbalen Angriffen fortfuhr.
    Während die Menge geordnet den Raum verließ, vermied Mattie, Cross anzusehen. Leider gab es keine Möglichkeit, ihn für immer zu ignorieren. Gott sei Dank ahnte er nicht, was in ihrem Innersten ablief. Niemand konnte das wissen – sonst hätte sie nicht frei auf der Straße herumlaufen können.
    Als die Türen sich hinter den letzten geschlossen hatten, nahm Mattie sich zusammen. Sie inspizierte ihre Hände und entdeckte ein Stück Haut, das begonnen hatte, sich zu lösen.
    "Wer ist tot?", fragte sie.
    "William Broud."
    Mattie merkte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. William Broud? Wie konnte er denn tot sein? Er war doch gerade erst aus dem Gefängnis entlassen worden. Im Geiste sah sie den furchteinflößenden Mann vor sich, der sie aus dieser Abseite gezerrt hatte – und ihr vielleicht das Leben gerettet hatte. Vielleicht hätte sie traurig sein sollen, aber in diesem Moment hatte sie einfach nur Angst.
    "Wie ist das passiert?", fragte sie.
    "Komisch, das wollte ich gerade Sie fragen, Euer
Ehren."
    Mattie griff in Gedanken nach dem Hammer. Ihre Fingerknöchel waren weiß vor Anspannung, und Cross entging das nicht.
    "Offensichtlich wissen Sie, von wem ich spreche", sagte er. "Der Mann, der für Sie vor dreiundzwanzig Jahren ins Gefängnis gegangen ist? Vielleicht haben Sie auch über die Jahre seine Anträge zur Haftprüfung verfolgt?"
    "Seien Sie sehr vorsichtig mit Ihren Äußerungen, Mr. Cross. Falsche Anschuldigungen können verfolgt werden. Sie könnten im Gefängnis landen."
    "Wer sagt denn, dass die Anschuldigungen falsch sind?"
    "Ich habe das gesagt." Sie hielt seinem wütenden Blick stand, aber der Zorn in ihrer Stimme ließ nach, als sie an den Schaden dachte, den er mit seinen Behauptungen anrichten könnte, falsch oder nicht. Ein paar Worte zur Presse und ihr Leben wäre zerstört.
    Ihr Blick wanderte an ihm vorbei durch den Gerichtssaal, wo Mattie Entscheidungen getroffen hatte, die das Leben vieler Menschen verändert hatten. Anmaßende Entscheidungen. Wie hätten diese anders ausfallen können? Waren es nicht stets nur Beweise gewesen, an die sie sich hatte halten müssen? Keine Gedanken, keine Herzen, nur Beweise und Indizien. In den Seelen der Angeklagten konnte Mattie nicht nach der Wahrheit suchen. Nur ein Orakel könnte das. Sie musste über das Schicksal von Menschen entscheiden und sich dabei von professionellen Einschätzungen leiten lassen, die sich oft wie Launen anfühlten – und jetzt war ihr eigenes Leben in die Waagschale

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