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Das Internat

Das Internat

Titel: Das Internat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Forster
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Ton der Direktorin war bissig. "Ihr hört nicht zu, Ladys. Ich will den offensichtlichsten Indikator, das Erste, was man bemerkt, noch bevor man sich vorstellt."
    "Ähm … das Outfit?"
    Sie wandte sich der Schülerin zu, die gerade gesprochen hatte. "So sprechen wir nicht über unsere Erscheinung, Deirdre. Wir tragen Kleidung, kein Outfit. Die Damen der Rowe-Akademie sind und werden nie Sklavinnen der Mode sein. Das wäre vulgär."
    Die Direktorin schien sich der Spannung, die sie erzeugte, indem sie ihre jungen Schützlinge umkreiste und hinter ihnen entlangging, voll bewusst zu sein. Sie nutzte dieses Manöver schamlos aus und benutzte ihren Zeigestock, um damit gelegentlich auf die Wände und die leeren Tische zu klopfen. Zusammengesunkene Schülerinnen bekamen einen Klaps auf den runden Rücken, woraufhin sie sofort wieder einhundertprozentig anwesend waren.
    Angst beherrschte das kleine Klassenzimmer, das war auf den alten Videobändern offensichtlich. Jameson drückte auf den Lautstärkeknopf seiner Fernbedienung. Er wollte kein Wort verpassen.
    "Größe", sagte Miss Rowe. "Das Erste, was wir wahrnehmen, ist die Größe einer Person, und wir urteilen bereits aufgrund dessen über sie. Die gehobene Klasse ist tendenziell groß und dünn, dünn, dünn. Historisch betrachtet mussten sie keiner handwerklichen Arbeit nachgehen und sich nicht die Körpermasse der niederen Schichten aneignen, also kann man im Allgemeinen sagen: Je kräftiger der Körperbau, desto niedriger die Klasse."
    Einige ihrer Studentinnen runzelten unzufrieden die Stirn. Andere, die meisten mit schlankem Körperbau, schienen insgeheim erfreut.
    "Ich sagte nicht, dass das fair ist", fügte Miss Rowe hinzu, "aber ob wir es nun mögen oder nicht, unsere Wahrnehmung von Dingen gestaltet unsere Realität, und das war schon immer die Gesellschaft. Wer auch immer sagte, du kannst nicht zu reich oder zu dünn sein, hat sich darauf bezogen."
    "Das Haus Windsor ist aber kleinwüchsig und stämmig."
    Das Mädchen neben Matilda Smith hatte sich zu Wort gemeldet. Die Bildqualität des Videos war schlecht, aber Jameson hatte sie als eines der einsamen Mädchen identifiziert. Sie hatte dichtes, kastanienbraunes Haar, das ihr fast bis zu den Schultern reichte, dunkle Augen und einen herzförmigen Mund. Noch wichtiger, sie war sehr schlank.
    "Ausnahmen wird es immer geben, Jane", sagte Miss Rowe, "aber auf sie können wir uns nicht stützen. Sie verwirren uns, also lehnen wir sie ab und hängen an dem Vertrauten. Deshalb gibt es Stereotypen, die wir vielleicht furchtbar finden, die allerdings in höchstem Maße hilfreich dabei sind, unsere Welt zu ordnen. Wir nehmen es als selbstverständlich hin, dass unsere Polizeibeamten die öffentliche Sicherheit schützen, obwohl einige das nicht tun. Denk darüber nach, wie es wäre, wenn wir uns nicht auf allgemeine Annahmen stützen könnten. Chaos."
    Schweigend durchschritt sie den Raum und ließ die Klasse einen Moment lang nachdenken. Dann richtete sich ihr Blick auf eine wunderbare Gestalt, die ganz allein in der letzten Reihe saß und aussah, als wäre sie gern überall, nur nicht in diesem Raum.
    "Wir machen einen kleinen Test", bestimmte Miss Rowe. "Ich brauche eine Freiwillige. Wie wäre es mit dir, Ivy? Warum kommst du nicht zu mir nach vorn?"
    Ivy White, um dieses Mädchen kreisten Jamesons jugendliche Träume, seit sich eines Morgens beim Gang über den Hof ihre Blicke trafen, als er sie beobachtete. Sie wandte sich sofort ab, ihr Engelsgesicht glühte vor Verlegenheit. Damals war sein Name noch Jimmy Broud und sie für ihn unerreichbar – was sie für ihn noch viel verführerischer machte.
    Ivy kämpfte sich hinter ihrem Schreibtisch hervor, hinter dem sie sich versteckt zu haben schien. Mit gesenktem Kopf ging sie nach vorn, und Jameson bemerkte etwas, das er vor vierundzwanzig Jahren nicht gesehen hatte. Ivy hatte immer noch Babyspeck. Er würde sie nicht als pummelig oder sogar üppig beschreiben, aber sie war weich und wohlgerundet, nicht elfenhaft. Das Gegenteil der Direktorin.
    Ivy ging so langsam, dass Miss Rowe ihr entgegenkam und sie an der Hand nach vorn vor die Klasse zog. Einen Daumennagel drückte sie dem Mädchen in die Wirbelsäule. Als Ivy sich aufrichtete, hob die Direktorin das Kinn des Mädchens an und strich ihr die wilden tizianroten Locken aus dem Gesicht. Als Miss Rowe mit ihrem erkennbar unglücklichen Schützling fertig war, wandte sie sich an die Klasse.
    "Welcher Klasse

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