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Das Internat

Das Internat

Titel: Das Internat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Forster
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entspricht Ivy gewichtsmäßig? Irgendjemand?"
    Ein Kichern ging durch den Klassenraum, bevor ein Mädchen murmelte: "Offensichtlich einer niedrigeren. Ihre Fußgelenke sind wie Baumstümpfe."
    "Da kann sie nichts machen", erklärte eine andere, "sie hat Knochen wie ein Landarbeiter."
    "Sie kann schon etwas dagegen machen", rief ein drittes Mädchen. "Sie könnte aufhören, Schokoriegel zu
inhalieren."
    Als wäre sie geschlagen worden, zuckte Ivy zusammen. Ihr aschfarbenes Gesicht wirkte auf Jameson, als könne sie jeden Augenblick ohnmächtig werden. Die Bosheit der anderen Mädchen erstaunte ihn. Ivy hatte keinen stämmigen Knochenbau, sie war nicht einmal besonders kräftig. Woher sie stammte, wusste er nicht, aber es überraschte ihn, dass die Direktorin nichts unternahm. Es war bloße Grausamkeit.
    Als die Kamera das komplette Klassenzimmer zeigte, bemerkte er Mattie Smiths Reaktion und war sofort davon fasziniert. Das winzige Mädchen mit den kobaltblauen Augen war kurz davor, von seinem Sitz hochzuspringen. Hass blitzte in ihren Augen, und er richtete sich genauso gegen die Direktorin wie gegen die anderen Schülerinnen. Zu behaupten, dass sie ausehe, als wolle sie Millicent Rowe umbringen, war eine Untertreibung. Sie wirkte, als wäre sie bereit, einen Massenmord zu begehen.
    Jameson beschäftigten zwei Gedanken. Er konnte Ivys Scham und Wut spüren. Und er hatte Mitleid, nicht nur mit ihr, sondern mit allen Mädchen. Sie waren Kinder, leicht zu beeindrucken und zu leiten. Jameson fragte sich, wie es zu einer so aggressiven Reaktion bei Mattie Smith kommen konnte. Zuvor musste es zumindest einen ähnlichen Vorfall gegeben haben. Es musste etwas zwischen ihr und der Schulleiterin passiert sein, und Jameson vermutete, dass es eine hässliche Geschichte war.
    Er hatte Billys Anschuldigungen lange Zeit nicht geglaubt. Niemand hatte das. Billy war eine verlorene Seele, jemand, der schon zu oft gelogen hatte. Aber jetzt konnte Jameson einen Zugang zu den Behauptungen seines Bruders finden, auch wenn er sich durch neunundvierzig Videokassetten spulen musste.
    Er stapelte die Bänder neben seiner Musikanlage. Weil er kein Verzeichnis gefunden hatte, konnte er nicht ermitteln, ob die Bänder komplett waren. Aber Billy hatte etwas auf ein Stück Papier gekritzelt, das Jameson jetzt wieder einfiel. Er hatte den Leser seiner Aufzeichnungen gedrängt, sich die Bänder zu besorgen, dann hatte er noch zwei weitere Wörter aufgeschrieben.
    Eines fehlt.

21. KAPITEL
    R owe-Akademie
    Winter 1981
    "Auf die Füße, Ladys! Zwanzig Ausfallschritte, mit wechselnden Beinen! Wir zeigen der kleinen Miss Ivy heute mal, wie das funktioniert!"
    Miss Rowe schwang ihren Arm wie ein Orchesterdirigent, als sie die Klasse zum Aufstehen drängte. "Ivy, pass diesmal gut auf", rief sie, den Sarkasmus in der Stimme kaum verhüllend. "Wir möchten nicht, dass du dir wehtust."
    Die Schülerinnen stöhnten und murrten aus Protest, als sie sich von ihren Plätzen erhoben. "Vielen Dank, du blöde Kuh", flüsterte Lane Ivy zu.
    Mattie warf dem Mädchen einen so giftigen Blick zu, dass es vor Schreck erbleichte. Lane Davison, eine der hochnäsigen Schülerinnen, gehörte jetzt zur Oberstufe und war extrem dünn. Wenn Mattie in der Nähe war, machte Lane oft Würgegeräusche, die Bedeutung lag auf der Hand. Mattie war das ungepflegteste Kind in der Schule und deshalb Mädchen wie Lane ein Dorn im Auge. Das Sagen an der Schule hatte Lanes Clique, und das mit Miss Rowes Segen, so wie Mattie es einschätzte. Allerdings war Mattie sich ziemlich sicher, dass Lane und ihre Freundinnen nichts von den schmutzigen Geschäften der Direktorin wussten.
    Ein finsterer Blick war alles, was Mattie brauchte, um sich die meisten Schülerinnen vom Leib zu halten. Nur sehr wenige würden es wagen, sich mit ihr anzulegen – und allein noch weniger. An dem Wissen, dass man Angst vor ihr hatte, fand Mattie Gefallen. Es war überlebenswichtig. Breeze fand immer eine Ausrede, und Jane benutzte die Vernunft, aber Mattie hatte keines dieser Talente. Es hieß 'Schlagen oder geschlagen werden'. Und sie tat, was sie musste, obwohl sie sich die meiste Zeit zu Tode fürchtete.
    "Matilda? Machst du nicht mit?"
    Miss Rowe hatte sie angesprochen. Mattie antwortete nicht, sondern sah zu Jane hinüber. Die gesamte Klasse war aufgestanden, Breeze eingeschlossen. Sie und Jane saßen als Einzige noch auf ihren Stühlen.
    "Steh auf", flüsterte Jane Mattie zu. "Sie bringt dich um, wenn du es

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