Das irische Erbe
»Wir sind drei gleichberechtigte Eigentümer. Nina und Claire müssen nur noch im Grundbuch eingetragen werden.«
Claire applaudierte ihm innerlich, Nina sah ihn glücklich an.
»Aber findest du das nicht ein wenig übereilt?«, fragte ihre Mutter. »Schließlich ist es dein Erbteil und nicht das deiner kleinen, äh... deiner Frau. Sie hat doch gar nichts dazu beigetragen, außer da zu sein.«
Immer noch redete sie über Ninas Kopf hinweg.
»Das ist mehr, als man von euch sagen kann«, sagte Tim. »Ihr wart nie für uns da, sondern immer nur mit euch selbst beschäftigt. Entweder ihr respektiert meine Frau oder ihr fahrt wieder. Die Entscheidung liegt bei euch.«
Tim hatte noch nie so gesprochen. Claire konnte nur sprachlos staunen. Ihre Mutter wollte etwas sagen, aber sie sah ihr deutlich an, dass sie überlegte, ob es ratsam sei. Sie zuckte mit den Schultern und sagte nur: »Na, ja. Musst du wissen. Es ist dein Geld.« Dann wandte sie sich an ihre Tochter: »Können wir ein Zimmer im Hotel haben?«
»Nein, wir sind noch nicht ganz fertig.«
»Nicht?«, fragte sie unmutig. »Aber es sieht doch schon alles fertig aus. Wie lästig. Aber ihr habt doch sicher ein Gästezimmer?«
Wie aus einem Mund sagte Claire »Ja« und Tim »Nein.«
Sie brachte ihre Eltern im Gästezimmer unter und spürte ihre Anwesenheit nur zu deutlich. Nina ging nur noch auf Zehenspitzen durch das Haus und versuchte, sich unsichtbar zu machen und ihren Schwiegereltern aus dem Weg zu gehen. Tim blieb die meiste Zeit im Stall. Claire zerbrach sich den Kopf darüber, wie sie die beiden wieder hinauskomplimentieren konnte.
Sie hatte in Bens Büro angerufen, in der Hoffnung, ihn alleine vorzufinden. Aber ein Band lief und sagte, er sei zurzeit nicht zu erreichen, rufe aber gerne zurück.
Sie dache an den Moment im Steinhaus, als er davon sprach, sie küssen zu wollen. Sie musste ihm einfach sagen, wie es sich in Wirklichkeit verhielt. Dann würde er verstehen.
Abends saßen sie im Wohnzimmer. Nina hatte gekocht und Speck mit Kohl und Kartoffelpüree serviert, was ihr sehr gut gelungen war. Aber ihr Vater aß schweigend und ihre Mutter stocherte lustlos in ihrem Essen herum, weil sie eine Diät machte.
Beim Tee begann sie von ihrer neuen Bekannten, der Gräfin, zu sprechen.
»Also, die Gräfin von Werthe, die mich übrigens ihre Freundin nennt, die Gräfin liebt Irland. Sie ist als Kind oft hier gewesen und schwärmt noch heute von den Cliffs of Moher.«
»Und sie spielt vorzüglich Golf«, ergänzte ihr Vater. »Sie ist wirklich gut.«
»Ja«, übernahm ihre Mutter wieder. »Ich kann mich natürlich nicht mit ihr messen, aber Paps«, sie deutet überflüssigerweise auf ihren Mann, »hat sie schon geschlagen, nicht wahr?«
Ihr Vater nickte mit gespielter Bescheidenheit. Weil sie befürchtete, sich endlose Beschreibungen diverser Golfpartien anhören zu müssen, wechselte Claire das Thema und fragte schnell: »Wie gefällt es euch denn in Kanada?«
»Oh«, wieder ihre Mutter. »Es gefällt uns ganz gut. Weißt du, Liebes, die Gräfin sagt immer, Kanada sei ein gastfreundliches Land. Und sie ist selbst auch sehr gastfreundlich. Sie hat uns schon am ersten Tag zu sich eingeladen. Sie hat echt Klasse, sie ist eine richtige englische Gräfin, spricht aber ganz gut Deutsch. Es kommt eben doch darauf an, mit welchen Leuten man befreundet ist.«
»Wie lange wollt ihr denn in Irland bleiben?«, unterbrach Claire sie rüde und bereute ihre Frage gleich darauf, denn ihre Mutter begann in aller Ausführlichkeit zu erläutern, dass die Gräfin einen Prozess führen müsse, von dessen Ausgang abhänge, ob sie wieder nach Kanada gehen werde oder nicht. Claire tat, als ob sie zuhörte, aber ihre Gedanken schweiften zu Ben. Was mochte er nur denken? Ob er Viktors Worten Glauben schenkte? Sie gestand sich zum ersten Mal ein, in ihn verliebt zu sein. Ben sollte auf keinen Fall denken, sie sei anderweitig gebunden. Zumal es nicht stimmte. Sie musste ihn unbedingt sprechen und die Sache klären.
»Und jetzt will ihre Nichte nicht zahlen, obwohl es einen Vertrag über das Buchprojekt gibt«, drang die Stimme ihrer Mutter wieder in ihr Bewusstsein. »Sie will jetzt sogar den Vorschuss wieder zurück.«
Sie würde mit Ben reden, so schnell wie möglich. Es gab keinen Mann in ihrem Leben, das sollte er erfahren. Plötzlich musste sie an Marisa denken, die ihn offenbar manchmal anrief. Warum sonst hatte er seinerzeit, als sie ihn wegen des
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